Wahlpanne kann für Nordkurier teuer werden
Mit der vorzeitigen Veröffentlichung einer Prognose zur
Bundestagswahl im Internet hat das Neubrandenburger Blatt bundesweit für
Aufsehen gesorgt – offenbar unfreiwillig. Wegen Verstoßes gegen das
Wahlgesetz droht der Zeitung trotz der umgehenden Entschuldigung von
Geschäftsführer Lutz Schumacher eine Geldbuße von bis zu 50.000 Euro.
Nordkurier-Leser waren diesmal besonders schnell informiert, doch der
Zorn des Bundeswahlleiters ließ nicht lange auf sich warten. Noch am
Sonntag habe Roderich Egeler das Blatt „zur Stellungnahme aufgefordert“,
verkündete das Statistische Bundesamt in Wiesbaden.
Stein des
Anstoßes: Bereits 17 Uhr, also eine Stunde vor Schließung der
Wahllokale, ging eine Prognose zu den Stimmergebnissen über den
„Live-Ticker“ in Neubrandenburg und verbreitete sich blitzschnell über
das Netz. Ein klarer Verstoß gegen das Wahlgesetz, der den Nordkurier
teuer zu stehen kommen könnte, droht dafür doch eine Geldbuße von bis zu
50.000 Euro.
Der Maximalbetrag dürfte es wohl nicht werden, wenn
die Beteuerungen von Lutz Schumacher, Geschäftsführer und Chefredakteur
in Personalunion, zutreffen. Der Fehler, den man sehr bedaure, sei
bereits nach wenigen Minuten von der Chefredaktion entdeckt worden.
Wegen „technischer Prozesse“ habe es dann noch eine Weile gedauert, bis
die Zahlen von der Seite verschwanden. Laut NDR stand der Beitrag etwa
20 Minuten online, doch da war der Geist via Twitter schon aus der
Flasche.
Der Bundeswahlleiter will nun untersuchen lassen, ob der
Ticker-Bericht tatsächlich auf Zahlen von Meinungsforschungsinstituten
basiert, die einzelnen Journalisten vorab zwar bekannt sind, jedoch erst
nach nach 18 Uhr veröffentlicht werden dürfen. Danach werde über eine
Geldbuße entschieden.
Die Konsequenzen für die Neubrandenburger
Redaktion, wo der sichtlich zerknirschte Geschäftsführer „hausinterne
Untersuchungen“ ankündigte, sind unklar. Schumacher ist zwar nicht dafür
bekannt, bei Personalien zimperlich zu Werke zu gehen, doch sein Ruf
als knallharter Chef erwies sich in diesem Fall bereits als Bumerang.
„Jämmerlich Honorare zahlen, aber so das Geld zum Fenster rauswerfen“,
gab ein User des Kurznachrichtendienstes Twitter dem Blatt mit Blick auf
dessen schlechtes Arbeitgeber-Image Saures. Im Online-Forum des NDR
fragte prompt ein Spötter: „Na, wer ist denn der Schuldige: Die
Reinemachfrau oder der Azubi?“
Auf einzelne oder die gesamte
Redaktion einzuschlagen, dürfte aber der falsche Weg sein. Der Fehler
liegt in erheblichem Maße im System. Während der Aktualitätsdruck mit
der Internet-Revolution extrem gestiegen ist, kämpfen Redaktionen gegen
ständig neue Sparrunden ihrer Arbeitgeber, so dass die gebotene Sorgfalt
immer öfter auf der Strecke bleibt.
Ins Kreuzfeuer der Kritik
geriet der Nordkurier, der gerade mit einer wieder eigenständigen
Mantelredaktion neu durchgestartet ist, zuletzt schon wegen seiner
Berichterstattung bei Strafprozessen. Diese hat der Deutsche
Journalisten-Verband (DJV) in seiner Landeszeitschrift „Kiek an“ scharf
kritisiert: „Ein prägnantes Beispiel liefert am 17. Juli die
Regionalausgabe Vorpommern-Kurier: ,Langsam, aber sicher muss sich Max.
L., der Messermörder von Butzow, darauf einrichten, auf der Anklagebank
Platz zu nehmen.' (...) Scheinbar hat der Autor, noch nie etwas davon
gehört, dass vor einer rechtskräftigen Verurteilung hierzulande allen
Personen zumindest der Status von ,mutmaßlichen Tätern' bzw.
,Beschuldigten' und später von ,Angeklagten' zusteht.“
Auch in
diesem Fall übte Schumacher Selbstkritik, warnte das DJV-Magazin aber
zugleich mit den Worten: „Falls Sie die Absicht haben, darauf einen
generellen Trend beim Nordkurier ableiten zu wollen, dürfen Sie mit
meinem erbitterten Widerstand rechnen.“
Bei der Wahlpanne dürfte
es ein schwacher Trost sein, dass andere noch voreiliger waren. Ein
Volontär des privaten Radio-Senders „Antenne Bayern“ jagte an jenem
Wahlsonntag bereits 16.29 Uhr eine Prognose des Umfrage-Instituts Forsa
ins Netz. Hier erfolgte die Veröffentlichung allerdings nicht auf der
Seite der Redaktion, sondern über den privaten Twitter-Account. Was den
Vorfall freilich nicht besser macht.