Ein Deal von 310 Millionen Euro: Der Springer-Verlag verkauft seine Beteiligungen an verschiedenen Regionalzeitungen an die Verlagsgruppe Madsack. Die Ostsee-Zeitung wird im Zuge dieses Geschäfts von den Lübecker Nachrichten übernommen. Um Risiken für Arbeitsplätze und Qualität der Presse auszuschließen, fordert die Initiative „Unser Land braucht seine Zeitungen. Qualität und Vielfalt sichern.“ verbindliche Regelungen.
Die Verlagsgruppe Madsack, Hannover, hält bislang mit einer Gesamtauflage von rund 625000 Exemplaren den achten Platz im deutschlandweiten Vergleich. Bedeutende Titel sind die Hannoversche Allgemeine Zeitung und Hannoversche Neue Presse (Gesamtauflage: 210000), Göttinger Tageblatt (43800), Wolfsburger Allgemeine (37900) sowie die bislang hälftige Beteiligung an der Leipziger Volkszeitung (182600).
Expansionsbestrebungen ließen sich trotz ausreichender Renditen
bislang wegen kartellrechtlicher Beschränkungen im Umfeld nur in
geringem Umfang realisieren: Zuletzt erwarben die Hannoveraner Anfang
2007 51 Prozent der in Hessen erscheinenden Gelnhäuser Neuen Zeitung
(8200).
Durch die Übernahme der Springerschen Anteile an den
Regionalzeitungen wird er zur Nummer 4 der deutschen Großverlage.
Springer bestätigte am Mittwochabend entsprechende Medienberichte. Der Unterzeichnung der Verträge soll offenbar im Verlauf des Donnerstags erfolgen. Für Freitag sind die Betriebsräte der Ostsee-Zeitung und der Lübecker Nachrichten nach Wismar eingeladen, um über die Situation informiert zu werden.
Abgestoßen werden neben der Beteiligung an der Leipziger Volkszeitung (50 Prozent) auch die 49 Prozent, die Springer direkt an den Lübecker Nachrichten hält sowie die 24,5 Prozent an den Kieler Nachrichten. Ebenso soll die Pressegruppe aus Hannover zu 23 Prozent bei der Hanseatischen Verlags-Beteiligungs AG einsteigen, die weitere Anteile an den Lübecker und Kieler Nachrichten hält.
Die Lübecker Nachrichten übernehmen den 50-prozentigen Anteil der Axel Springer AG an der Ostsee-Zeitung und machen sie damit zu einer 100-prozentigen Tochter. Das Blatt kostete laut Mitteilung 35 Millionen Euro. Insgesamt hat der Verkauf, der noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Kartellamts steht, ein Volumen von 310 Millionen Euro.
Was Springer-Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner und Madsack-Chef Herbert Flecken laut Pressemitteilung als Konzentration auf die „eigenen Zeitungen“ bzw. Stärkung des Kerngeschäfts begrüßen, macht Experten wie dem Dortmunder Zeitungswissenschaftler Horst Röper vom formatt-Institut Sorgen: „Der Deal zwischen Madsack und Springer hat ungewöhnliche Ausmaße und zählt zu den größten im bundesdeutschen Zeitungsmarkt, denn die Hannoveraner steigen zu den ganz Großen der Branche auf. Dass Springer verkauft, kann auch als Zeichen für schwache Zukunftsaussichten von Regionalzeitungen gewertet werden.“
Der Kauf durch Madsack zeige aber eine gegensätzliche Einschätzung eines Großverlags, dessen Kernaktivität immer noch das Zeitungsgeschäft sei. Mit diesem habe Madsack in den letzten Jahren stolze Ergebnisse eingefahren. Röper mahnt Transparenz und Offenheit an: „Wie nach jedem Besitzerwechsel werden nun Veränderungen anstehen. Wenn die Belegschaften nicht verunsichert werden sollen, muss Madsack zügig seine Pläne erläutern.“
„Über viele Jahre haben wir sehr erfolgreich mit unseren Regionalzeitungspartnern zusammengearbeitet. Für die vertrauensvolle Zusammenarbeit möchte ich mich bei allen Mitarbeitern, den Mitgesellschaftern und Geschäftsführern ausdrücklich bedanken."
Springer-Chef Mathias Döpfner
Den Partnern der Initiative „Unser Land braucht seine Zeitungen. Qualität und Vielfalt sichern.“ genügt dies nicht - vor allem mit Blick auf die Situation der Ostsee-Zeitung. „Die größte Tageszeitung an der Küste ist nun vollständig von den Lübecker Nachrichten abhängig“, bilanziert Ingo Schlüter vom DGB Nord. „Unter diesen Umständen die publizistische Eigenständigkeit des Blattes und die Arbeitsplätze auf Dauer zu sichern, ist eine Herausforderung.“
Ernst Heilmann vom ver.di-Landesbüro Mecklenburg-Vorpommern warnt davor, die Gefahren der Übernahme zu unterschätzen: „Madsack hat dieses Geschäft unter schwierigen Bedingungen finanziert, um eine Regionalzeitungsgruppe zu bilden, in der systematisch Synergieeffekte erschlossen werden.“ Er verweist auf Tendenzen zur Zentralisierung und Auslagerung von Verlags- aber auch redaktionellen Bereichen bei dem in Hannover ansässigen Konzern.
Daher bedürfe es neben verbindlichen Regelungen zur Sicherung der
Arbeitsplätze in Mecklenburg-Vorpommern auch einer Anpassung der
gesetzlichen Rahmenbedingungen, so Sibylle Ekat vom Deutschen
Journalisten-Verband. „Die Reform des Landespressegesetzes ist
überfällig. Eine Verankerung von Mitwirkungsrechten der Journalisten
ist ein wichtiger Beitrag, ihnen in der aktuellen Situation den Rücken
zu stärken – damit sie sich aktiv für die Bewahrung der redaktionellen
Unabhängigkeit und Eigenständigkeit einsetzen können.“ Die Bürger in
Mecklenburg-Vorpommern, die ohnehin die geringste Auswahl an
Tageszeitungen hätten, seien darauf angewiesen, dass das vorhandene
Angebot nicht weiter beschnitten werde.