Tarifflucht: Schweriner Volkszeitung verschärft Sparkurs

Nicht einmal einen Inflationsausgleich will die Schweriner Volkszeitung ihren Mitarbeitern zahlen. Die Order kommt von ganz oben: Die Konzernmutter Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag hat für seine Betriebe den Ausstieg aus der Tarifbindung verkündet. Eine weitere bittere Pille für die seit Jahren von Sparrunden gebeutelten Redakteure, Drucker und Verlagsangestellten in der Landeshauptstadt und dem westlichen Mecklenburg.


Der Ausstieg auf Raten ist perfekt. Nach der Ende 2008 erfolgten Ausgliederung der 20-köpfigen Mantelredaktion in die tariflose Firma mv:m, erwischte es nun auch die Restbelegschaft der auf 140 Mitarbeiter geschrumpften Schweriner Volkszeitung (SVZ).

Wenige Stunden, bevor sich Verleger und Gewerkschaft auf einen fast bundesweit geltenden Tarifabschluss für Drucker und Verlagsangestellten einigten, verkündete die Flensburger Konzernmutter sh:z für seine Betriebe Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag, Schweriner Volkszeitung und Beig Druckerei (Pinneberg) den Austritt aus dem Tarif.

Dabei gilt der Bundesabschluss noch gar nicht für Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, hier führen der Verband der Zeitungsverlage Norddeutschland (VZN) und die Gewerkschaft ver.di für Angestellte und Drucker schon lange eigene Verhandlungen. Zudem ist der Bundesabschluss, dessen Übernahme nun zur Debatte steht, nicht gerade üppig ausgefallen. Bei einer Laufzeit von drei Jahren liegt das Gehaltsplus mit zwei Prozent mehr sowie zwei Einmal-Zahlungen deutlich unter der Inflationsrate.

Selbst das war den für ihre eiserne Sparpolitik bekannten Flensburgern offenbar zu viel. Ganz aus dem Arbeitgeberverband verabschiedet hat sich der sh:z vorsichtshalber nicht. Er ist nun „OT-Mitglied“ (ohne Tarifbindung).

Ob sich dieser Schritt für den sh:z auszahlt, bleibt abzuwarten. Kämpfen Mitarbeiter wirkungsvoll für einen Haustarifvertrag, kann das teuer werden als ein Verbleib im Flächentarif. Doch anscheinend baut der Konzern fest auf die Duldsamkeit seiner Belegschaften.

Bisher haben die Schweriner selbst die gröbsten Einschnitte mit erstaunlichem Langmut ertragen. Als der sh:z 2005 das Regiment von Burda übernahm, zählte die SVZ noch 350 Mitarbeiter.

Von der Redaktion waren vier Jahre später laut Angaben des VZN 46 Lokalredakteure übrig geblieben. Einschließlich des Rostocker Ablegers Norddeutsche Neueste Nachrichten sowie der Volontäre und Sekretariate wurden 78 Redaktionsmitarbeiter gezählt. Damit verfügen die Schweriner inzwischen über die mit Abstand kleinste Redaktion der Tageszeitungen im Land, obwohl auch Nordkurier und Ostsee-Zeitung ihre Mantelredaktionen ganz oder teilweise abgegeben haben.

Während der Bereich der Verlagsangestellten durch Kündigungen und Auslagerung von Aufgaben nach Schleswig-Holstein zur Restgröße geschrumpft ist, wächst in der Druckerei die Sorge, dass die in die Jahre gekommene Rotation möglicherweise nicht wieder ersetzt wird. Schließlich hat der benachbarte Nordkurier gerade kräftig in eine neue Druckmaschine investiert.

Mecklenburg-Vorpommern wird damit immer mehr zur tariffreien Zone. Nachdem der Nordkurier in viele kleine Einzelgesellschaften zerschlagen wurde, ist nun nur noch die Ostsee-Zeitung tarifgebunden.
1. August 2011