Die Geschäftsleitung des Nordkuriers droht offen mit dem
Einsatz von Leiharbeitern in der Redaktion. Doch der
Billigst-Journalismus, der zunehmend von Verlagen praktiziert wird,
geht auf die Kosten der Qualität.
Die Drohung hatte noch gefehlt: Der Nordkurier müsse die Möglichkeit erhalten, neue Redakteure zu „anderen Konditionen“ – lies: „schlechteren Bedingungen“ – anzustellen. Anderenfalls, so drohte Geschäftsführer Lutz Schumacher per Pressemitteilung Belegschaft und Öffentlichkeit, „sei der Einsatz von Leiharbeitern unausweichlich“.
Anlass war die zweite Verhandlungsrunde über die Forderung von ver.di und DJV, die Arbeitsbedingungen aller Beschäftigten beim Nordkurier per Tarifvertrag möglichst langfristig zu sichern. Das lehnt der branchenweit als Hardliner bekannte Schumacher ab. Stattdessen zeigt der Mann, der im vergangenen Jahr die Redaktion der Münsterschen Zeitung auf die Straße setzte, die Folterinstrumente.
Die Furcht vor Leiharbeit geht seit Jahren um im deutschen Journalismus. Möglich wurde die neue Dumping-Strategie der Verlage durch die Änderung der Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes unter der rot-grünen Bundesregierung 2004. Dadurch können Leiharbeitnehmer beliebig lange an ein und denselben Betrieb überlassen werden. Was ursprünglich den Wiedereinstieg Arbeitsloser ins Berufsleben erleichtern sollte, gerät in vielen Medienunternehmen wie in anderen Branchen zum schleichenden Ausstieg aus dem Tarifvertrag und zur Schaffung einer Zweiklassengesellschaft.
Das Prinzip ist einfach: Ein Unternehmen gründet eine eigene Verleiherfirma, die Mitarbeiter zu schlechteren Konditionen beschäftigt, um diese dann wiederum in erster Linie an Unternehmenstöchter zu verleihen. Das Gebot der gleichen Bezahlung von Stammbelegschaft und entliehenen Kollegen („equal pay“) wird systematisch unterlaufen. Denn gibt es in den Verleiherfirmen Tarifverträge, darf auch weniger gezahlt werden. Und selbst der – heftig umstrittene – DGB-Tarifvertrag für die Zeitarbeit hält keinen Vergleich mit den Arbeitsbedingungen tariflich eingruppierter Journalisten an Tageszeitungen aus. Von den ,Tarifen‘ der so genannten christlichen Gewerkschaften ganz zu schweigen.
So erhalten Leihredakteure deutlich weniger als ihre noch normal
beschäftigten Kollegen: Zwischen 20 und 50 Prozent bewegt sich die
Differenz. Wer dauerhaft als Leiharbeiter tätig ist, könnte in 15
Berufsjahren 240000 Euro verlieren, berechnet der Deutsche
Journalisten-Verband, der eine Liste der Verlage führt, die zu Leiharbeit, Outsourcing
und ähnlichen Mitteln greifen. Die Gewerkschaft ver.di widmet in ihrer
medienpolitischen Zeitschrift „M. Menschen machen Medien“ in der
aktuellen Ausgabe dem Thema einen
Schwerpunktbeitrag.
Qualität im Journalismus? Zum Billigtarif kann es sie kaum geben.
Die Drohung Schumachers mit der Leiharbeits-Keule lässt seine
Ankündigungen, gerade dem Lokaljournalismus „neue Impulse“ verleihen zu
wollen, geradezu gefährlich erscheinen: Schuften im Osten
Mecklenburg-Vorpommerns demächst Billigst-Redakteure?