Auch wenn sich die Indizien in den letzten Monaten verdichtet hatten, war die Nachricht für die Betroffenen ein Schock: Der Nordkurier will ab Frühjahr eine gemeinsame Mantelredaktion mit der Schweriner Volkszeitung betreiben. „Damit tritt genau das Szenario ein, das wir in der Anhörung im Innenausschuss im Herbst skizziert hatten“, so Ernst Heilmann vom ver.di-Landesbüro Mecklenburg-Vorpommern in einer ersten Stellungnahme. „Qualität und Vielfalt der Tageszeitungen im Lande werden unter dieser weiteren Konzentration leiden“, so DJV-Landesvorsitzender Kai Voigtländer.
Sollte der Plan in die Tat umgesetzt werden, hätte Mecklenburg-Vorpommern keine wirklich selbstständige Zeitung mit einer eigenen Vollredaktion mehr. Die Ostsee-Zeitung bezieht seit einigen Monaten wesentliche Teile aus der Redaktion Service Gesellschaft, einer Kooperation mit dem Gesellschafter Lübecker Nachrichten.
Der Deal um die neue Mantelfusion ist systematisch eingefädelt:
Bereits im September, als die Schweriner Volkszeitung ihre 20-köpfige
Hauptredaktion in die Firma mv:m ausgliederte, waren die Avancen an
Neubrandenburg unüberhörbar. Nun will sich – die Zustimmung des
Kartellamts vorausgesetzt – der Nordkurier zur Hälfte an dieser Tochter
beteiligen.
Für den nächsten Akt im Drama um Mecklenburg-Vorpommerns kleinste Tageszeitung (Auflage: 103 000) braucht es einen neuen Hauptdarsteller: Michael Seidel (43) übernimmt überraschend das Amt des Chefredakteurs. Seidel arbeitet seit 13 Jahren für den Nordkurier, unter anderem als landespolitischer Korrespondent und gilt daher als innenpolitischer Kenner.
Sein Vorgänger André Uzulis, der seit 2002 amtierte, wurde dem
Vernehmen nach von der Abberufung überrascht. Natürlich trennt man sich
„ohne Streit“ und gibt dem Major der Reserve (Autor des Werks „Die
Bundeswehr Eine politische Geschichte von 1955 bis heute.“) ausreichend
Zeit, sich „beruflich neu zu orientieren“.
Wie Geschäftsführer Lutz Schumacher, der im Namen der Gesellschafter beim Nordkurier einen rigiden Sparkurs exekutiert, den Redakteuren eröffnete, soll der gemeinsame Dienstleister in Schwerin künftig die „redaktionelle Grundlast“ übernehmen. Die verbleibende Hauptredaktion in Neubrandenburg, deren Größe er offen ließ, solle das Angebot dann vor Ort „veredeln“.
Beim Nordkurier dürfte nicht jeder der 30 Mantelredakteure so weich fallen, wie der nun geschasste Chef André Uzulis (siehe rechts). In einer Mitteilung an die Betroffenen sprach der längst als „Zumacher“ apostrophierte Geschäftsführer vage von Vakanzen, die in den (tariflosen) Regionalverlagen zu besetzen seien, in die die Lokalredaktionen vor einigen Monaten ausgegliedert wurden. Für alle Mitarbeiter werde es freilich nicht reichen. Doch Kündigungen „in arbeitsrechtlich relevantem Umfang“ seien nicht geplant.
Nicht gereicht hat es bislang auch für eine nach dem Gesetz
erforderliche Beteiligung des Betriebsrates: Die Interessenvertretung
wurde einmal mehr vor vollendete Tatsachen gestellt.