Lutz Schumacher
Fand sich wirklich kein anderer für den Chef-Stuhl in Neubrandenburg, oder hat es Lutz Schumacher vorn vornherein darauf angelegt? Sicher ist nur eins: Die Mitarbeiter des Nordkuriers wurden von der Nachricht, dass der mit eiserner Hand regierende Geschäftsführer nun auch noch das Zepter in der Redaktion übernimmt, mindestens so kalt erwischt wie die Verlagsleitung Anfang August, als Chefredakteur Michael Seidel seinen Wechsel zur Schweriner Volkszeitung verkündetete.
Zehn Tage vor dem endgültigen Abschied Seidels in Richtung Landeshauptstadt musste etwas geschehen, doch die meisten hätten auf diese „schöne Bescherung“ gern verzichtet.
Die Angst, Schumacher könnte noch weiter durchregieren und der Redaktion den letzten Rest von Selbstständigkeit nehmen, konnte die Leitung auch mit einer an alle Mitarbeiter verschickten Mitteilung nicht zerstreuen. Mit der Entscheidung sei es möglich, „einen neuen Chefredakteur oder eine neue Chefredakteurin ohne jeden Zeitdruck aus den eigenen Reihen zu entwickeln oder aber extern zu finden“, heißt es da. 2013 werde in der Redaktion zwar weiter umstrukturiert, ein erneuter Stellenabbau sei aber nicht geplant.
Immerhin werden dem neuen Chef mit dem derzeit für Online-Aktivitäten verantwortlichen Simon Kaatz und Marion Richardt (Ressortleiterin bei der für überregionale Inhalte zuständigen Redaktionsfirma mv:m) zwei profilierte Journalisten zur Seite gestellt.
Dass Schumacher selbst das Handwerk als Politik-Redakteur gelernt hat, ist die am wenigsten bekannte Facette eines Manns mit vielen Gesichtern. Bundesweite Berühmtheit erlangte Schumacher als Plauderonkel und Rächer entnervter Bahn-Kunden mit locker-flockig geschriebenen Bestsellern der Kategorie „Senk ju vor träwelling“ und „Der Anschlusszug kann leider nicht warten“.
Weniger zu lachen hatten die Beschäftigten der Medien-Betriebe, bei denen der heute 44-Jährige als Betriebswirt und knallharter Sanierer (Spitzname „Zumacher“) reüssierte. Schumacher räumte erst ohne Rücksicht auf Verluste bei der Nachrichtenagentur ddp auf, setzte dann als Chef der Münsterschen Zeitung eine ganze Redaktion auf die Straße und nahm sich ab 2007 so gründlich den Nordkurier vor, dass nach einer Reihe von Entlassungs- und Ausgliederungswellen ein Konglomerat von mehr als zwei Dutzend tariffreier Kleinfirmen übrig geblieben ist.
Für die Redaktion kam 2009 mit der Auflösung der Mantelredaktion der tiefste Schnitt. Seither werden die überregionalen Inhalte in der Landeshauptstadt bei der mv:m, einer gemeinsamen Tochter von Schweriner Volkszeitung und Nordkurier, produziert.
Doch inzwischen mehren sich die Hinweise, dass das möglicherweise nicht mehr lange so bleibt. Bereits Mitte 2013 könnte die Redaktionsgemeinschaft aufgelöst werden, was eine Erklärung für die von Schumacher nebulös angekündigten Strukturveränderungen wäre.
Dass der Wechsel von Seidel das Verhältnis beider Verlage belastet hat, ist ein offenes Geheimnis. Doch bleibt die Frage, wie es dann weitergehen soll. Das Comeback einer eigenständigen Mantelredaktion in Neubrandenburg wäre im Sinne der Pressevielfalt zwar eine gute Nachricht, erscheint in Betracht der begrenzten Ressourcen jedoch schwer vorstellbar.
Hinweise auf eine Zusammenarbeit mit einer anderen Verlagsgruppe gibt es bisher aber nicht. Dafür käme ohnehin nur ein Partner in Frage: Der Madsack-Konzern, dessen Blätter Ostsee-Zeitung und Märkische Allgemeine von Nord und Süd unmittelbar an das Verbreitungsgebiet des Nordkuriers angrenzen.