Madsack auf Sparkurs: Ostsee-Zeitung droht Kahlschlag
Trotz stabiler Millionen-Gewinne: Zentralisierung der Zeitungsproduktion, Abbau von Stellen, schleichender Rückzug aus der Fläche. Das vom Zeitungskonzern in Hannover ausgerufene Umstrukturierungsprogramm soll nun bei der OZ mit voller Härte durchschlagen. Bis Ende 2018 könnte die Redaktion um ein Viertel schrumpfen – nicht zuletzt im Lokalen.
Sind die den Lesern vertrauten Lokalredaktionen der Ostsee-Zeitung demnächst Geschichte? Die Zeiten, als in der Regel sechs Redakteure in Orten wie Wismar, Ribnitz-Damgarten oder Zinnowitz die Seiten ihrer Ausgabe vollständig fertigstellten, gehen nach dem Willen das Verlagsmanagements bald zu Ende. Stattdessen gäbe es nur noch ein vierköpfiges Büro fliegender Reporter, die künftig ohne Sekretariat – bisher oft erster Ansprechpartner für Leser und Kunden – auskommen müssten.
Das ist nur ein Baustein eines als „Redaktionelle Neuaufstellung“ bemäntelten Sparkonzepts, das den betroffenen Mitarbeitern des Rostocker Blattes nun verkündet wurde. Zunächst war von 18 wegfallenden Vollzeitstellen die Rede, doch diese Zahl erwies sich schnell als geschönt. Bei der Betriebsversammlung in Rostock mussten die Arbeitnehmervertreter schon den drohenden Wegfall von knapp 30 Stellen melden – das wäre insgesamt ein Viertel der aktuellen Mannschaft. Nicht nur im Lokalen soll gespart werden, sondern auch erneut bei der Mantelredaktion in Rostock, die zuletzt im Jahr 2008 mit der Abgabe der überregionalen Berichterstattung an die Lübecker Nachrichten heftig bluten musste.
Nun will der Madsack-Konzern, der vor einem Jahr in Lübeck und Rostock mit dem Ausstieg des früheren Minderheitsgesellschafter endgültig die Macht übernahm und wenig später den langjährigen Geschäftsführer Thomas Ehlers schasste, von oben nach unten kräftig aufräumen. Im September platzte in Lübeck mit Verkündung der Auflösung der norddeutschen Gemeinschaftsredaktion RSG und des Abbaus eines Drittels der journalistischen Stellen die erste Bombe.
Fertige Seiten aus Hannover
Nächster Schritt ist die bisher ziemlich lautlos verlaufende Umstellung auf Belieferung der Blätter mit überregionalen Seiten. Statt aus Lübeck kommen Seiten wie Politik, Blickpunkt, Panorama und Medien nun von der Madsack-Zentralredaktion RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Die Seitenschmiede in Hannover, die auch alle übrigen Titel der Mediengruppe sowie weitere Blätter versorgt, liefert ein vor Ort nicht mehr veränderbares Fertigmenü, das Lesern in Leipzig ebenso schmecken muss wie in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Mit der Belieferung kompletter Sportseiten geht Hannover nun noch einen Schritt weiter als die alte Lübecker Mantelredaktion. Unmittelbar bevor steht die Ablösung des OZ-Wochenendjournals durch das Madsack-Einheitsprodukt „Sonntag“.
Dass das bei Ostsee-Zeitung und Lübecker Nachrichten bisher nur für die überregionale Berichterstattung eingesetzte Prinzip industrieller Zeitungsproduktion nun auch die Lokalberichterstattung erreicht, ist allein keine Überraschung. Vielmehr folgen die Blätter damit einem allgemeinen Branchentrend, auf den die Chefredaktionen die Belegschaften mit Verweis auf die Herausforderungen der Digitalisierung und neue Formen der Online-Berichterstattung bereits länger eingestimmt hatten.
Wie derlei Herausforderungen mit dermaßen geschrumpften Redaktionen gemeistert werden sollen, steht auf einem anderem Blatt. Man wolle mit weniger Leuten eine bessere Zeitung machen, lässt die Leitung verkünden - was ältere Redakteure eher an Losungen aus DDR-Zeiten erinnert – schon damals hieß es: „Weniger produzieren mehr!“
Stabile Millionengewinne in schwierigem Verbreitungsgebiet
Begründet wird das Projekt mit dem Strukturwandel in den Medien. Tatsächlich hat die OZ diesen – ausgerechnet im eher strukturschwachen Nordosten – bislang gut gemeistert. Das belegen die Bilanzen der letzten Jahre. 2014 stieg der Gewinn des Blattes auf 7,3 Millionen Euro. Beobachter mutmaßen, dass die Niedersachsen das Geld dringend benötigen, um die ausufernden Kosten ihrer Zentralisierungsstrategie „Madsack 2018“ in den Griff zu bekommen.
Aus Sicht von Betriebsrat und Gewerkschaften bietet das Betriebsergebnis jedenfalls eine solide Basis, die erforderlichen Veränderungen für die zunehmende Digitalisierung behutsam vorzunehmen. „Wir können das: Mutig vorwärts in die Zukunft gehen und alle, die es wollen, dabei mitnehmen!“, appellierten die Arbeitnehmervertreter in der Betriebsversammlung. Sie machten ebenso deutlich, dass sich die Belegschaft dem Spardiktat aus Hannover nicht widerstandslos beugen werde. Die Forderungen nach Verzicht auf Kündigungen, Schutz bei Ausgliederungen, Regelungen zur Mindestbesetzung sind auf dem Tisch.