Die Einweihung des neuen Verlagssitzes in der Neubrandenburger
Innenstadt war dem „Nordkurier“ allein eine ganze Seite 3 und eine
umfangreiche Online-Bildergalerie wert. Geschäftsführer Lutz Schumacher
bot der Termin zudem Gelegenheit für positive Ankündigungen: Man wolle
in neue Drucktechnik investieren, ließ der Manager wissen, der durch
rüde Kostensenkung, Personalabbau und satirische Bücher („Senk ju vor
träwelling“) eine zweifelhafte Prominenz erlangt hat.
Der Kurierverlag ist zum zweitwichtigsten Gesellschafter des Privatsenders Antenne MV aufgestiegen. Neben Regiocast (52 Prozent) und fünf kleineren Einzelgesellschaftern hält der Neubrandenburger Eigner seit Jahreswechsel mehr als ein Drittel der Anteile.
Zum Sommer folgte eine Rosskur im Funkhaus Plate: Nach Besetzung der Chefetage mit einer Regiocast-Mannschaft wurden Nachrichten-, Musik- und Sportredakteure entlassen. Die Nachrichten für das Programm, das zuletzt massiv Hörer verloren hatte, werden nun aus Kiel zugeliefert. Dort betreibt Regiocast eine zentrale Nachrichtenredaktion, die auch die Sender NORA, R.SH sowie delta radio beliefert. Besetzt ist die Redaktion überwiegend mit Volontären.
Die Medienanstalt Mecklenburg-Vorpommern kündigte eine laufende Prüfung an, ob die geforderte Regionalität des Programms erhalten bleibe. Sei dies nicht der Fall, werde sich der für die Sendelizent zuständige Rundfunkausschuss damit beschäftigen. Zuletzt hatte das Gremium den Durchmarsch von Regiocast und Nordkurier erlaubt.
Die Konzentration zeigt Folgen: Zum neuen Quartal hat eine der
vielen Töchter des Kurierverlags das Finanz-und Rechnungswesens von
Antenne MV übernommen.
Ein solcher Schritt ist fällig, denn die Ausstattung der allein auf dem Datzeberg verbliebenen Druckerei stammt in weiten Teilen noch aus der ersten Hälfte der 90-er Jahre. Erneuert wurden in der Zwischenzeit vor allem Aggregate der Weiterverarbeitung, in der die Zeitung mit Beilagen bestückt und versandfertig gemacht wird.
Die rund 80 Mitarbeiter sehen der neuen Technik freilich mit gemischten Gefühlen entgegen. Die Investition sichert den zwischenzeitlich in Frage gestellten Druckstandort grundsätzlich auf mehrere Jahre. Klar scheint aber auch: die neue Maschine wird Arbeitsplätze kosten. Im Gespräch ist, an Stelle der bislang vier Druckeinheiten nur zwei neue zu installieren.
Seit der Kurierverlag 2007 in den Status „ohne Tarifbindung“ wechselte und im April des folgenden Jahres seine Druckerei in eine Tochterfirma ausgliederte, haben die Mitarbeiter den Schutz des Tarifvertrages verloren, der neben den Einkommen auch die Besetzung von Rotationsmaschinen und anderer Technik regelt.
Das schwächt die Position des Betriebsrates, der auf tariflicher Basis zum Beispiel ausreichende Reserven für Urlaub und Krankheitsfälle einfordern könnte. Um den Preis unbezahlter Arbeitszeitverkürzung wurde immerhin noch einmal eine Beschäftigungssicherung bis März 2011 vereinbart.
Wird dann die Mannschaft dezimiert, um die neue Technik mit
Minimalbesatzung zu betreiben? Das würde zu der erkennbaren Tendenz des
Verlags passen, die Rotation mit zusätzlichen Fremdaufträgen
auszulasten, indem man Anzeigenblätter, Beilagen und ähnliches im
Lohndruck fertigt. Auf dem so genannten Akzidenzmarkt tobt allerdings
angesichts ohnehin vorhandener Überkapazitäten ein erbitterter
Unterbietungswettbewerb, der meist auf Kosten des Lohndumpings für die
Beschäftigten ausgetragen wird.