Nord-Verlage greifen nach „Märkischer Allgemeiner“
Die Mediengruppe Madsack aus Hannover und der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag (Flensburg), die bereits den Zeitungsmarkt an Nord- und Ostsee beherrschen, strecken nun ihre Fühler nach der größten Regionalzeitung Brandenburgs aus.
Gelingt dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag (sh:z) der Durchmarsch von Flensburg über Schwerin bis Potsdam? Oder nimmt der niedersächsische Madsack-Konzern nach seinen Zukäufen im hohen Norden (Ostsee-Zeitung, Lübecker Nachrichten) und Sachsen (Leipziger Volkszeitung) nun aus drei Richtungen Brandenburg in die Zange?
Der Kauf der „Märkischen Allgemeinen“, mit einer Auflage von 136 000 Stück mit Abstand Nummer 1 der Regionalzeitungen im Land, wäre für beide Verlagsgruppen ein Coup. Verlockend an dem vom Branchenmagazin „Kontakter“ zwischen 50 und 100 Millionen Euro bezifferten Investment wäre eine altbekannte Strategie – den Kaufpreis mit dem Erschließen von „Synergieeffekten“ möglichst schnell wieder hereinzuholen.
Wie das geht, hat der sh:z mit der Schweriner Volkszeitung (SVZ) betriebswirtschaftlich mustergültig vorexerziert. Sechs Jahre nach der Übernahme des Blattes im Jahr 2005 sind von 350 Mitarbeitern nur noch 140 übrig geblieben. Letzter Schnitt war die Ausgliederung der 20-köpfigen Mantelredaktion in die tariflose Firma mv:m, die nun auch den Nordkurier mit überregionalen Seiten beliefert.
Madsack sicherte sich 2009 mit der Übernahme von Lübecker Nachrichten und Ostsee-Zeitung sowie einer 49-prozentigen Beteiligung an den Kieler Nachrichten de facto die zweite Hälfte des Zeitungskuchens in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern und nimmt die Zügel in Richtung Zentralisierung zunehmend straffer in die Hand. Jüngstes Beispiel ist die auf 20 Redakteure aufgestockte Hauptstadtredaktion in Berlin, die alle Madsack-Blätter von Nordhessen über Sachsen bis zur Ostsee mit Texten beliefert. Bei der Rostocker Ostsee-Zeitung musste Madsack freilich nicht mehr viel aufräumen. Die Verlagerung der Mantelredaktion nach Lübeck geht noch auf das Konto des Vorbesitzers Axel Springer.
Die rund 600 Mitarbeiter der „Märkischen Allgemeinen“ haben allen Grund, dem laut „Kontakter“ in wenigen Tagen anstehenden Verkauf des Blattes mit Bangen entgegenzusehen, zumal das Szenario stark an die Schweriner Volkszeitung erinnert. Verlor im Mecklenburgischen seinerzeit der Zeitschriften-Spezialist Burda die Lust an seiner einzigen regionalen Tageszeitung, trennt sich nun die FAZ-Gruppe (Frankfurter Allgemeine) von dem Titel, der vermeintlich nicht ins Portfolio passt.
Welcher Käufer das „geringere Übel“ ist, darüber gehen in der Potsdamer Belegschaft die Meinungen auseinander. Aus kartellrechtlicher Sicht problematischer erscheint ein Zuschlag an den sh:z: Das Verbreitungsgebiet der Schweriner Volkszeitung grenzt unmittelbar an das der „Märkischen“. Während es bei den Lokalredaktionen nur eine geringfügige Überschneidung im Raum Perleberg gibt, wären bei den überregionalen Seiten schon mehr „Synergieeffekte“ denkbar. Nur ein Beispiel sind die von SVZ (Prignitz) und Nordkurier (Uckermark) beackerten Gebiete im Norden Brandenburgs, die überregional bisher von der Schweriner Mantelredaktion mv:m bedient werden.
Und dann haben SVZ und Märkische noch ein gemeines Problem: Beide Druckereien sind in die Jahre gekommen, die Belegschaften bangen um die erhofften Investitionen in neue Technik. So wird in Potsdam immer noch zum Teil in Schwarz-Weiß gedruckt, lediglich die Technik für die Produktion der FAZ-Ostauflage wurde im Jahr 2000 modernisiert. Dass der sh:z gleich zweimal in neue Technik investieren würde, muss bezweifelt werden. Eher denkbar wären Szenarien wie der Bau eines gemeinsamen Druckhauses oder eine Aufteilung der Produktion der Schweriner Volkszeitung zwischen der sh:z-Technikzentrale im holsteinischen Büdelsdorf und Potsdam.
Zwischen Madsack und der „Märkischen“ gibt es zwar keine territorialen Berührungspunkte, doch die Berliner Hauptstadtredaktion könnte ganz schnell ihre Texte auch nach Potsdam liefern. Freilich hat die „Märkische“ mit ihren 15 Lokalausgaben bereits eine sehr „schlanke“ Redaktion. Lauf „Kontakter" beschäftigt das Blatt nur noch 85 Redakteure - deutlich weniger als vergleichbare Titel.