„Morbus Schulz“: Madsack trennt sich von Nord-Geschäftsführerin
Lässt die SPD-Medienholding ddvg ihre Muskeln spielen? Zwei Wochen nach einem peinlichen Auftritt bei einem Redaktionsbesuch des sozialdemokratischen Spitzenkandidaten muss Stefanie Hauer, bisher Chefin von Ostsee-Zeitung (OZ) und Lübecker Nachrichten (LN), ihren Hut nehmen.
Die Zentrale in Hannover versuchte, das Offensichtliche irgendwie zu kaschieren: „Madsack stellt Geschäftsführung der Lübecker Nachrichten und Ostsee-Zeitung neu auf“ erfuhren die Mitarbeiter beider Blätter am Freitagnachmittag in einer knappen Mail. Das sollte wohl nach Planung klingen, aber die Sturzgeburt ist offenkundig, schließlich wurden nur Interims-Chefs für beide Titel benannt. Klar ist lediglich die Ansage, dass die bisherige Managerin Stefanie Hauer „mit sofortiger Wirkung“ aus beiden Unternehmen ausscheidet.
Die Überraschung der Belegschaften hielt sich in Grenzen, denn die Geschäftsführerin war seit Tagen weder an der Trave noch an der Warnow gesichtet worden. Nicht einmal zum großen Fest der OZ anläßlich ihres 65. Geburtstags kam die sonst auf öffentliche Auftritte versessene 44-jährige Führungsfrau. „Erkrankt“ hieß es offiziell – „Morbus Schulz“ vermuteten Mitarbeiter angesichts des an Peinlichkeit kaum zu überbietenden Auftritts von Hauer mit dem
SPD-Kanzlerkandidaten bei dessen Redaktionsbesuch in Lübeck. Schon die nur Stunden nach der Veröffentlichung des Vorgangs im Branchendienst Meedia eilig nachgeschobene Entschuldigung für die plumpe Lobby-Attacke ließ vermuten, dass hinter den Kulissen die Drähte glühten.
Der größte Gesellschafter des Medienkonzerns Madsack ist die SPD-Medienholding Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (ddvg) mit 23,1 Prozent. Auch wenn die Genossen der in Hamburg residierenden Firma (Bilanzsumme 108 Millionen Euro) nach eigenem Bekunden mehr am Geld-Verdienen als an publizistischer Einflussnahme interessiert sind, scheint die Grenze der Zurückhaltung doch überschritten, wenn sozialdemokratisches Spitzenpersonal auf diese Weise öffentlich attackiert wird. Hauer hatte Schulz unter anderem indirekt vorgeworfen, die Politik habe die Verlage durch den Mindestlohn kaputtgemacht, um diese dann über eigene Beteiligungen in eine bestimmte Richtung zu lenken.
Es ist nicht die einzige Intervention aus der Hamburger Deichstraße 47, die Madsack-Konzernchef Thomas Düffert in diesen Tagen Kopfzerbrechen bereitet: Auch gegen die Veröffentlichung von Wahlwerbung der rechtspopulistischen AfD ging die ddvg laut einen Bericht des Online-Portals daily.spiegel.de auf die Barrikaden. Die mehrseitige Beilage wurde schließlich in Niedersachsens Landeshauptstadt der Hannoverschen Allgemeinen und Neuen Presse beigesteckt – verbunden mit einer distanzierenden Erklärung der Geschäftsleitung. Die bereits geplante Gegen-Anzeige hätten die SPD-Medienmanager daraufhin storniert, aber die öffentliche Debatte um den Vorgang war unüberhörbar.
Ein Grund mehr für den klaren Schnitt im Norden, um wenigstens an dieser Front erst einmal Ruhe zu schaffen. Denn Hauer war schon seit längerem umstritten. Die 2015 als Nachfolgerin des geschassten Thomas Ehlers vom Zeit-Verlag zu LN und OZ geholte Managerin hatte die in sie gesetzten Erwartungen nur bedingt erfüllt: Zwar folgte sie brav dem aus Hannover vorgegebenen Personalabbau- und Sparprogramm „Madsack 2018“, doch als sich der Konflikt zuspitzte, fand sie zu den Belegschaften ebensowenig einen Draht wie zu Betriebsräten und Gewerkschaften. Bei Sozialplan- und Tarifverhandlungen schickte Madsack denn auch lieber Konzern-Personalchef Adrian Schimpf ins Rennen.
Am Ende konnte selbst die auf Hauers Geheiß engagierte Beratungsfirma Manres nicht mehr helfen, die mit Verheißung einer neuen Führungskultur für Aufbruchstimmung sorgen sollte. Nun zog Madsack abrupt den Stecker. Schon tags darauf war die glücklose Chefin aus dem Impressum von OZ und LN verschwunden und in beiden Blättern der gleiche Text wie in der freitäglichen Mitarbeiter-Info zu lesen. Konzernchef Düffert beließ es bei einer wohl bekannten Floskel: „Wir danken Stefanie Hauer für die geleistete Arbeit und wünschen ihr für ihren weiteren beruflichen Weg alles Gute.“