Schrumpfungsprozess: Verbreitungsgebiet des Anzeigenkuriers bis Anfang 2015 (links) und aktuell (rechts).
Marktbereinigung an der Küste schreitet voran
Kurier- und Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag ziehen sich aus dem Gebiet der zu Madsack gehörenden Ostsee-Zeitung zurück, nachdem diese ihre Ausgabe Güstrow eingestellt hat.
Da sind es nur noch sechs: Der Nordkurier hat überraschend die Ausgaben des wöchentlich erscheinenden „Anzeigenkuriers“ in Greifswald (letzte Auflage knapp 40 000 Exemplare) und Usedom (23 000) eingestellt und in der Uckermark kräftig reduziert – von 63 000 Exemplaren auf knapp die Hälfte. In der ab 1. Januar 2015 gültigen Preisliste 24 waren sie noch verzeichnet; in der seit kurzen geltenden „Nummer 25“ sucht man sie vergebens. Damit reduziert sich die Gesamtauflage des Anzeigenblattes von 325 000 auf 231 000, während die Tageszeitung aktuell rund 78 000 Exemplare, davon 1300 als E-Paper absetzt.
In der Belegschaft des in den vergangenen Jahren von Geschäftsführer und mittlerweile auch Chefredakteur Lutz Schumacher mehrfach rabiat „durchsanierten“ Medienhauses wächst die Furcht vor einer neuen Einsparwelle. Unter anderem soll die Wochenendbeilage des Nordkuriers zur Disposition stehen. Selbst das angebliche Zukunftsfeld Digitales ist kein Tabu mehr. Die Online-Redaktion sei in den Fokus geraten, ist aus Unternehmenskreisen zu hören.
Rückzugsbewegungen sind auch im Westen Mecklenburg-Vorpommerns zu erkennen: Die ebenso wie die Schweriner Volkszeitung (SVZ) zum Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag (sh:z) gehörenden Anzeigenblätter „Markt Wismar“ (40 000) und „Markt Nordwestmecklenburg“ (20 100) sind eingestellt worden. Die seit Anfang der 90er-Jahre erscheinenden Titel hatte der sh:z erst Anfang 2013 zusammen mit der Druckerei in Wittenburg vom Holsteiner Medienunternehmer Klaus Flaschka übernommen, der sie seinerseits 2004 aus der Konkursmasse der insolventen Druckerei Bude in Schwarzenbek gekauft hatte.
Für Beobachter liegt es nahe, zumindest einen Zusammenhang zwischen der Einstellung der Aktivitäten in der Region um Wismar und der Aufgabe der Güstrower Ausgabe der Ostsee-Zeitung (OZ) zum Jahreswechsel zu vermuten. Lediglich in der Region Rostock gibt es noch Überscheidungen zwischen der zum Madsack-Kozern gehörenden OZ und dem sh:z, der hier neben der SVZ-Lokalausgabe „Norddeutsche Neueste Nachrichten“ (NNN) am Mittwoch und Sonntag das Anzeigenbaltt „Warnow Kurier“ herausbringt.
Die Marktbereinigung könnte an Fahrt gewinnen, denn nach der jüngsten Entscheidung des Kartellamtes stehen sich im Norden faktisch zwei Medienkonzerne gegenüber: Der sh:z (Flensburger Tageblatt, Schweriner Volkszeitung, NNN) und Madsack (Hannoversche Allgemeine, Kieler und Lübecker Nachrichten mit dem Schwesterbaltt OZ), wobei die Niedersachsen über Kiel auch beim Nordkurier einen Fuß in der Tür haben.
Die Karte Kiel spielte man auch, um den ungeliebten Alt-Gesellschafter bei LN und OZ herauszukaufen. Dem erst am 19. Januar 2015 zur Prüfung eingereichten Deal hatten die Bonner Kartellwächter nicht einmal zwei Wochen später unter dem Aktenzeichen B7-25/15 ihren Segen erteilt – allen Einwänden zum Trotz.