Madsacks Durchmarsch an der Küste
Neue Runde im Zentralisierungs-Karussell: Die Lübecker Nachrichten und die Ostsee-Zeitung geraten unter noch stärkeren Einfluss des Medienkonzerns aus Hannover. Die bisherigen Minderheitsgesellschafter geben auf und verkaufen ihre Anteile an die Kieler Nachrichten.
Kommt nun das große Aufräumen bei Lübecker Nachrichten (LN) und Ostsee-Zeitung (OZ)? Nach ganzen acht Jahren trennt sich die von Verleger Jürgen Wessel kurz vor seinem Tod gegründete und nach ihm benannte Stiftung von den Anteilen an den LN (Auflage aktuell: 99 000) und damit auch von deren 100-prozentiger Tochter OZ (Auflage: 147 000).
Madsack-Konzernchef Thomas Düffert, der die Nachricht flugs nach der Versammlung der Lübecker Gesellschafter per knapper Pressemitteilung verkünden ließ, dürfte damit einen mit harten Bandagen geführten Machtkampf gewonnen haben.
Bisher nützte den Hannoveranern ihre 73-prozentige Mehrheit an der Trave wenig – wegen der besonderen Rechte des Minderheitsgesellschafters. Die Wessel-Stiftung, geführt von Ex-LN-Geschäftsführer Günter Semmerow, legte sich immer wieder quer, bremste Durchmarsch-Versuche aus und sicherte so eine gewisse Unabhängigkeit des Nordens – gestützt nicht zuletzt auf die in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich guten wirtschaftlichen Ergebnisse der OZ.
Künftig sollen die Kieler Nachrichten (KN, Auflage: 96 000) – vorbehaltlich der Zustimmung des Bundeskartellamts – die kleine Geige an der Trave spielen und geraten damit nach Einschätzung der Gewerkschaft ver.di in den Verdacht, als „Madsack-Strohmann“ zu agieren. Genau gesagt geht es um die Heinrich Beteiligungs GmbH, die gemeinsam mit ihrer Schwestergesellschaft Dr. Curt Heinrich Nachfolger GmbH mit 51 Prozent Haupteigentümerin des Blattes in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt ist.
Selbst wenn Madsack an der Förde nur mit 49 Prozent im Boot sitzt, hat diese Partnerschaft eine ganz andere Qualität. Die Kieler hielten bisher zwar ebenfalls eine gewisse Distanz zu Hannover, agierten dabei aber wendiger als die Lübecker Stiftung und hielten schon einmal den Steigbügel: In Potsdam übernahmen sie für Madsack die Federführung beim Betrieb der ausgegliederten neuen Druckerei der Märkischen Allgemeinen Zeitung (MAZ), während Madsack im Anschluss gründlich die Redaktion- und Verlagsbereiche zusammenstrich.
Radikalumbau mit dem Segen der SPD
Nun assistieren die Heinrichs in Lübeck, was für den Hannoverander Konzern den Vorteil hat, die kartellrechtlichen Hürden leichter nehmen zu können. Eine direkte Übernahme wäre schwerer darstellbar gewesen. Der Rückzug der Wessel-Stiftung, die sich selbst die „Förderung des Heimatgedankens“ in die Satzung geschrieben hat, dürfte einen Durchmarsch der Hannoveraner – mit Kieler Hilfstruppen – im bislang widerspenstigen Nord-Herzogtum ankündigen.
Mit „Madsack 2018“ zieht Konzernchef Düffert in Niedersachsen, Leipzig, Potsdam und Hessen seit einem Jahr ein knallhartes Sparprogramm durch. Ein Radikalumbau mit Stellenstreichungen, Tarifflucht und Zentralisierung nahezu aller Bereiche in einer Verlagsgruppe, deren größter Einzelgesellschafter ausgerechnet die SPD-Medienholding ddvg ist.
So beliefert das unlängst mit großem Pomp offiziell eröffnete RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) inzwischen Titel wie Hannoversche Allgemeine (HAZ), Leipziger Volkszeitung (LVZ) und MAZ mit kompletten Seiten zu Politik und anderen Themenbereichen. In OZ und LN hingegen fanden sich bislang nur einzelne RND-Artikel im Blatt.
Gilt die erste Attacke der gemeinsamen Mantelredaktion von LN und OZ? Die 2008 gegründete Redaktions Service Gesellschaft (RSG) wirkt wie ein verkleinertes Vorbild des RND – inklusive aller Schwächen: Denn die viel beschworene „Bündelung journalistischer Kompetenz an einem Standort“ hat häufig zu mühsam kaschiertem Einheitsbrei für beide Titel geführt: Mitunter wurden die identisch layouteten Mantel-Seiten mit einzelnen „regionalen Modulen“, etwa in Form von Umfragen mit unterschiedlichen Gesichtern an der Warnow und der Trave, aufgelockert.
Weitere Vereinheitlichung der Berichterstattung
Mit dem RND droht dies in weit größerem Ausmaß, denn die in Hannover stationierte Zentrale soll insgesamt 18 Titel des Konzerns bedienen. Wenn sich das aus Sicht des Managements rechnen soll, bleibt kaum Kapazität, um etwa bundespolitische Themen unter einem speziellen Mecklenburg-Vorpommern-Blickwinkel zu analysieren.
Selbst renommierte Titel – die Rostocker OZ ist nach HAZ (482 000, inklusive Neue Presse Hannover) und LVZ (194 000) im Konzernverbund das Blatt mit der drittgrößten Auflage – drohen auf den Rang einer Lokalzeitung herabzusinken – faktisch in allen Bereichen ferngesteuert von der Leine.
In Kiel kam es eine Woche vor dem Lübecker Deal zum großen Knall. Dort verkündete die Geschäftsleitung, dass ein Drittel der Redaktionsstellen wegfallen soll. Den drastischen Einschnitt auffangen würden eine straffer geführte Produktion und die Zulieferung fertiger Seiten aus Hannover.