Madsack will Ostsee-Zeitung stärker an Kandare nehmen
Kampfansage aus der Zentrale in Hannover: Mit dem Programm „Madsack 2018“ kündigt der neue Chef Thomas Düffert einen Radikal-Umbau der Verlagsgruppe an, zu der die Rostocker Ostsee-Zeitung gehört. Während die 18 Blätter des Konzerns zu „regionalen Medienhäusern“ geschrumpft werden sollen, würde sich alle Macht an der Leine konzentrieren. Dort soll als erster Schritt eine Zentralredaktion aus dem Boden gestampft werden.
Folgt eine neue Phase der Entfremdung? Mussten sich die Leser der
Ostsee-Zeitung (OZ) in den zurückliegenden Jahren gezwungenermaßen mit der
Lübecker Sicht auf das Weltgeschehen anfreunden, könnte bald die
Hannoveraner Brille an diese Stelle treten. Die Mediengruppe Madsack plant noch in diesem Jahr die Einrichtung einer Mega-Mantelredaktion für alle ihre Titel. Nach der OZ, die bereits 2008 die überregionale Berichterstattung faktisch an die Lübecker Nachrichten (LN) abgeben musste, droht nun auch dem Mutterblatt an der Trave die Enthauptung.
Unter dem neuen starken Mann Thomas Düffert, der im Sommer den langjährigen Madsack-Patriarchen Herbert Flecken als Chef von Deutschlands fünftgrößtem Zeitungskonzern beerbte, weht ein anderer Wind. Für die meisten Beobachter kommt das nicht überraschend, wohl aber die Geschwindigkeit und Radikalität, mit der der frühere Gruner+Jahr-Mann zu Werke geht.
Nur 100 Tage nach seinem Amtsantritt zitierte der Manager die Führungskräfte des von Mecklenburg-Vorpommern bis Hessen und Sachsen reichenden Madsack-Verbundes nach Hannover, wo den Geschäftsführern und Chefredakteuren im feierlich illuminierten Saal des traditionsreichen Anzeiger-Hochhauses das Zehn-Punkte-Programm „Madsack 2018“ vorgesetzt wurde. Bevor diese so richtig Luft holen konnten, ging die Botschaft am späten Nachmittag vor dem 3. Oktober als Pressemitteilung über den Ticker.
Tarifflucht als Blaupause für alle Verlage?
Im Manager-Deutsch, gleichwohl mit unverblümter Klarheit, kündigte Düffert unter dem Motto „Zentralisieren und Fokussieren“ für die 18 Tageszeitungen – Gesamtauflage fast eine Million Exemplare – das große Aufräumen an. Beginnend bei der überregionalen Berichterstattung, die künftig komplett aus Hannover kommen soll, hätten alle Bereiche „stringent Synergien“ zu schaffen. Dass die soeben in mehrere tariffreie Regionalverlage zerschlagene „Märkische Allgemeine“ dabei als Vorbild hingestellt wurde, lässt bei Betriebsräten und Gewerkschaften die Alarmglocken schrillen.
Kalt erwischt hat Düfferts Kampfansage anscheinend die Führung von OZ und LN. Während die von Konzern-Chef Düffert „an allen großen Verlagsstandorten“ avisierten Mitarbeiterversammlungen in Hannover, Leipzig und Potsdam bereits am Montag stattfanden bzw. angekündigt wurden, kam in Rostock und Lübeck nach längerer Funkstille ein ungewöhnlich dürres Statement der örtlichen Leitung. Demnach ließen sich die Auswirkungen des Programms „erst nach der Klärung einer Vielzahl von Detailfragen beurteilen“.
Hinter den Kulissen knirscht es zwischen Hannover und dem Norden seit längerem vernehmlich: Auf der einen Seite steht dort der Mehrheitsgesellschafter Madsack, auf der anderen die
Lübecker Wessel-Stiftung und der frühere LN-Geschäftsführer Günter
Semmerow, die zusammen 27 Prozent der Anteile halten. Durch diese Sonder-Konstellation blieb bisher zwar manches Zentralisierungsprojekt wie die von Hannover geforderte Ausgliederung der IT-Abteilungen im Norden auf der Strecke – doch diesmal ist die Ausgangslage eine andere. Düfferts Ansage, so war aus der Führungskräfte-Versammlung zu vernehmen, habe sich eindeutig auch an Lübeck und Rostock gerichtet. Eine Verweigerung käme da einer offenen Konfrontation gleich.
Journalisten-Verband warnt vor „publizistischem GAU“
An erster Stelle steht im Norden nun die Frage nach der Zukunft der vor fünf Jahren in die Lübecker Redaktions-Service-Gesellschaft (RSG) ausgelagerten Mantelredaktion, die rund 30 Journalisten beschäftigt. Ob die gegenüber Zweiflern ständig aufs Neue bekräftigten Treue-Schüre für das Projekt weiter Bestand haben, ist ebenso unklar wie die Zukunft von Verlagsbereichen wie Anzeigen, Vertrieb, Personalwesen oder Marketing, auf die sich das Düffert-Diktum „Zentralisieren und Fokussieren“ in gleicher Weise bezieht.
Wie viele Mitarbeiter die Madsack-Gruppe am Ende der bis 2018 laufenden Umbauphase beschäftigen wird, steht in den Sternen. Derzeit sind es rund 4500, darunter 1000 Vollzeitstellen in der Redaktion. Die Reaktionen der Gewerkschaften auf das „Zukunftskonzept“ fielen entsprechend scharf aus. „Wenn in den Mantelteilen von Hannoverscher Allgemeiner, Ostsee-Zeitung und Kieler Nachrichten die gleichen Inhalte geliefert würden, wäre das ein publizistischer GAU“, so der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands, Michael Konken. Der stellvertretende ver.di-Chef Frank Wernecke erklärte: „Tarifflucht und Arbeitsplatzabbau sind kein Zukunftskonzept.“
In politischer Hinsicht ist das ein Sprengsatz, den Düffert nur nach und nicht vor der Bundestagswahl zünden konnte. Schließlich ist die SPD-Medienholding DDVG mit 23,1 Prozent größter Anteilseigner der Madsack-Gruppe.