Madsack kauft dritte Regionalzeitung im Osten
Erst Leipzig, dann Rostock, nun Potsdam: Mit dem Kauf der „Märkischen
Allgemeinen“ baut der Hannoveraner Konzern, bei Tageszeitungen hinter
Springer die Nummer 2 in Deutschlands Norden und Osten, seine
Marktposition weiter aus. Der Deal passt perfekt in die Strategie von
Madsack, die Produktion redaktioneller Inhalte zu zentralisieren.
Das
Wachstum des stillen Riesen aus Hannover wird Beobachtern der Branche
langsam unheimlich. Mit Brandenburgs größter Regionalzeitung (Auflage
136 000) schluckt Madsack einen weiteren dicken Brocken – gut zwei
Jahre, nachdem sich Madsack für 310 Millionen Euro die zuvor von
Springer gehaltenen Anteile an der Rostocker Ostsee-Zeitung, den
Lübecker Nachrichten, Kieler Nachrichten und der Leipziger Volkszeitung
einverleibt hatte. Die Gesamtauflage der Madsack-Blätter (bisher 835
000) kratzt nun an der Millionengrenze, wobei die Kieler Nachrichten
(Anteil 49 Prozent) noch nicht einberechnet sind. Die „Märkische
Allgemeine“ (MAZ) mit ihren 15 Lokalausgaben ist die 18. Tageszeitung
der Verlagsgruppe.
Worum es geht, bringt Konzern-Chef Herbert
Flecken per Pressemitteilung so auf den Punkt: „Mit ihrer konsequent
regionalen Ausrichtung passt die MAZ hervorragend in das
Konzern-Portfolio und schließt zudem die Lücke zwischen unseren
Beteiligungen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen.“ Zwar muss das
Bundeskartellamt dem zum Jahreswechsel 2011/2012 wirksam werdenden Kauf
noch seinen Segen geben, doch ein Veto ist unwahrscheinlich. Madsack hat
Brandenburg zwar von Westen, Norden und Süden eingekreist, doch es gibt
keinerlei Überschneidungen oder direkte Nachbarschaft mit dem
Verbreitungsgebiet des Potsdamer Blattes. Ganz anders sah es beim
Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag (sh:z) aus, der mit seinem
Schweriner Tochterblatt der bisher von der Frankfurter FAZ-Gruppe
gehaltenen „Märkischen“ direkt auf die Pelle gerückt wäre.
Der
Pressevielfalt in Deutschlands Norden und Osten dürfte der Deal trotzdem
alles andere als gut tun. Schließlich passt die MAZ perfekt in das
Madsack-Konzept, die Produktion redaktioneller Inhalte seiner Blätter
mit zunehmendem Tempo zu zentralisieren. Zentraler Baustein ist die
Anfang 2010 eröffnete Hauptstadtredaktion in Berlin, mit der die
Korrespondenten aller Zeitungen zu einem zehnköpfigen Team
zusammengezogen wurden und die ab Januar 2012 auf 20 Redakteure
aufgestockt wird. Nicht nur die große Politik, sondern auch Berichte und
Reportagen aus Wirtschaft und Kultur sollen künftig aus der Hauptstadt
geliefert werden.
Den Beteuerungen der Madsack-Chefs, dass dies
ohne schmerzhafte Nebenwirkungen für die Mantelredaktionen der
Regional-Titel bleiben soll, wollen viele Redakteure keinen Glauben
schenken. Nicht umsonst sorgte eine konzerninterne Stellenausschreibung
unter dem Motto „Lust auf Berlin?“ gerade in Lübeck und Rostock für so
viel Wirbel, dass sich der dortige Geschäftsführer Thomas Ehlers zu
einem mehrfach wiederholten Dementi veranlasst sah: Nein, die erst 2008
gegründetete Redaktions-Service-Gesellschaft (RSG), in der die
Mantelredaktionen beider Blätter mit mehr als 30 Journalisten
zusammengezogen wurden, sei nicht in Gefahr, habe vielmehr eine lichte
Zukunft.
Vorerst scheinen in der Tat andere Standorte im Fokus zu
stehen, wie der Branchendienst „Kress“ in einem Bericht über den
MAZ-Kauf bekräftigt. Madsack werde nun wohl vor allem bei der Leipziger
Volkszeitung (LVZ) versuchen „Synergien“ zu erschließen. Dass bei der
personell vermeintlich zu gut ausgestatteten LVZ, aber auch bei Titeln
in Hannover, bereits seit Wochen Redakteure „motiviert" werden, sich auf
Stellen in Berlin und an anderen Standorten zu bewerben, ist ein
offenes Geheimnis.
Mit dem Kauf der „Märkischen“ dürfte der Druck
auf einen Stellenabbau in den Redaktionen weiter wachsen. Entgegen
früheren Meldungen von Branchendiensten wie dem „Kontakter“ ist in
Potsdam nicht nur die Gesamtzahl der Mitarbeiter (rund 600)
vergleichsweise groß. So arbeiten in der Redaktion mit rund 135
Journalisten (davon 85 in den Lokalteilen) deutlich mehr Redakteure als
bei der Ostsee-Zeitung mit ihrer höheren Auflage (153 000).
Wie
tief Madsack für den Neuerwerb in die Tasche greift, wurde bisher nicht
bekannt. Das Fachmagazin „Kontakter“ hatte die Kaufsumme vor zwei Wochen
zwischen 50 und 100 Millionen Euro beziffert. Die „Märkische
Allgemeine“ wäre hinter der Leipziger Volkszeitung, Ostsee-Zeitung und
„Hannoverscher Allgemeiner“ bei der Auflage die Nummer 4 der 18
Zeitungstitel. Die Verlagsgruppe Madsack, bisher sechstgrößter deutscher
Zeitungsverlag, dürfte damit auf den fünften Platz hinter Springer,
Verlagsgruppe Stuttgarter Zeitung, WAZ-Gruppe (Essen) und DuMont (Köln)
vorrücken.