Madsack feiert Zentralisierung des Journalismus
Die bundes- und norddeutsche Politik bejubelt die Bildung des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) in Hannover – in den Verlagen an der Ostseeküste wächst die Sorge vor den Konsequenzen.
Welch eine Inszenierung! Ex-Bundespräsidenten-Gattin Bettina Wulff und Drogerieketten-Chef Dirk Roßmann geben sich die Ehre bei der Einweihung des neuen Newsrooms des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) der Mediengruppe Madsack in Hannover. In einer von Rostock bis Marburg verteilten Beilage, mit Online-Videos und endlosen Digitalbilderstrecken feiert der in der niedersächsischen Landeshauptstadt heimische Pressekonzern das selbst organisierte Ereignis.
Dass Promis aus Wirtschaft und Gesellschaft, namentlich die Niedersachsen-Society vom Fürsten zu Schaumburg-Lippe über Hannover-96-Boss Martin Kind bis zum allgegenwärtigen Scorpions-Sänger Klaus Meine, bei Häppchen und Musik nebenbei auch ein Loblied auf eine neue Zentralredaktion singen, versteht sich von selbst. Ebenso die zur Schau getragene Freude der an die Leine gereisten Chefredakteure der Madsack-Titel. Einige von ihnen – so die einst bei der Ostsee-Zeitung in Rostock und jetzt in Potsdam (Märkische Allgemeine) und Leipzig (Volkszeitung) wirkenden Redaktionschefs Thoralf Cleven und Jan Emendörfer – könnten nach massivem Personalabbau in ihren Häusern ihr Blatt ohne RND-Material kaum mehr füllen.
Auf den ersten Blick erstaunlich wirken da eher die Wortmeldungen aus der Politik. Hat ein zehn Quadratmeter messender Bildschirm („Hyperwall“) in dem futuristisch anmutenden Großraumbüro Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) geblendet, als er das RND als „innovative Antwort auf die großen Herausforderungen, vor denen alle Zeitungsverlage derzeit stehen“ preist? Warum lobt sein Parteifreund, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier – noch vor wenigen Tagen bei der Verleihung des „Lead Award“-Pressepreises durch eine engagierte
Rede pro Qualitätsjournalismus aufgefallen – per Videobotschaft plötzlich „verbesserte Möglichkeiten für die Berichterstattung“? Hat der Schweriner Regierungschef Erwin Sellering die Wirtschaftsförderbrille aufgesetzt, als er die sozialdemokratischen Hymnen auf das von Konzernchef Thomas Düffert vorangetriebene Herzstück seiner Strategie „Madsack 2018“ komplettiert, hinter der sich ein knallhartes Spar- und Umstruktierungsprogramm verbirgt?
Sicher auch, aber nicht nur. Nebenbei profitiert die SPD direkt von den „Erfolgen“ des Spar- und Konzentrationskurses – die parteieigene Medienholding DDVG ist größter Einzelgesellschafter Madsacks. Da kann schon mal in den Hintergrund treten, dass in Blättern mit einer Gesamtauflage von 1,3 Millionen Exemplaren und den dazugehörigen Online-Diensten künftig in vielen Themenbereichen Einheitskost serviert wird. Denn die vorgeblich „verlagsinterne Nachrichtenagentur“ RND liefert tatsächlich bislang überwiegend ganze Seiten, die in Leipzig, Potsdam und anderswo nur bedingt angepasst werden können und sollen.
Konzernchef Düffert („So etwas wie das RND gibt es in der Form und Größe nicht noch einmal in Deutschland.“) definiert für 3,5 Millionen Leser zwischen Ostseeküste, Nordhessen und Sachsen, was er in den Ressorts „Blick in die Zeit“, „Medien“, „Kultur“, „Politik“, „Sport“, „Wirtschaft“ und „Ratgeber“ unter Qualitätsjournalismus im 21. Jahrhundert versteht – Serviceseiten und bald auch ein weitergehend uniformes Magazin zum Wochenende inklusive?
Bei den mit Rücksicht auf die anderen Gesellschafter noch nicht ganz so eng an die Kette gelegten Madsack-Titeln an der Ostseeküste von Kiel bis Rostock steigt bei solchen Verheißungen der Puls – vor allem in Lübeck. Die dort ansässige Redaktions Service Gesellschaft (RSG) – so etwas wie die verkleinerte Blaupause des RND – beliefert seit 2008 die Redaktionen von Ostsee-Zeitung und Lübecker Nachrichten mit überregionalen Themen aus Politik, Wirtschaft, Ratgeber und Service. Und das soll alles – nun doppelt gemoppelt – weiter so bleiben, wie die örtliche Geschäftsleitung beteuert? Richtig glauben mag das kaum einer mehr.