Madsack-Sparkommissare filzen Ostsee-Zeitung
Nächster Opfergang mit Segen der SPD? Während die Mitarbeiter der
Druckerei in Hannover um ihre Arbeitsplätze kämpfen, bereitet der
Medienkonzern aus Niedersachsen die Restrukturierung der größten
Tageszeitung in Mecklenburg-Vorpommern vor.
Das vom Madsack-Managment ausgerufene „Kennenlernen“ von Ostsee-Zeitung (OZ) und Lübecker Nachrichten (LN) nach faktischer Übernahme des zuvor von Alt-Gesellschaftern gehaltenen 27-Prozent-Anteils an beiden Blättern gleicht eher dem Besichtigen einer neu eroberten Provinz. Die einzelnen Abteilungen müssen im Rahmen der von der neuen Geschäftsleitung
ausgerufenen „Bestandsaufnahme“ genau Rechenschaft über kleinste Details ihrer täglichen
Arbeit ablegen. Führungskräfte sehen sich Interviews mit von der Zentrale in Hannover entsandten Unternehmensberatern ausgesetzt, die anscheinend beliebig Zahlen sowie anderes Material anfordern.
Die auf ihre Informations- und Beteiligungsrechte dringenden Arbeitnehmervertreter werden mit allgemeinen Floskeln abgespeist, während intern die Planungen für eine Umstrukturierung zumindest innerhalb der Redaktion offenbar bereits weit gediehen sind. Das geht aus einer Veröffentlichung des Betriebsrates hervor, der nun einen Anwalt beauftragt hat, nachdem ihm – unmittelbar vor einer Konferenz von Führungskräften zum „Workflow der Zukunft“ – jede Unterrichtung verweigert wurde.
Das forsche Vorgehen des Konzerns, das viele Mitarbeiter wie eine Misstrauenserklärung aufnehmen, wirkt auf den ersten Blick in Betracht der bisher abgelieferten Zahlen erstaunlich. Die letzte veröffentlichte Bilanz weist für Rostock einen Überschuss von
6,4 Millionen Euro aus; beide Verlage zusammen lieferten unterm Strich
8,3 Millionen Euro ab. Auch die Auflagenentwicklung ist im Vergleich zu
anderen Regionalblättern trotz leichter Rückgänge außergewöhnlich
stabil.
Madsack-Insider hatten freilich nichts anderes erwartet. Genau mit diesem Stil war der Konzern schon in anderen Betrieben der Mediengruppe vorgegangen: Auch in Leipzig, Potsdam oder Hannover bekamen die Betriebsräte bestenfalls vage Andeutungen zu hören, bevor dann kurzfristig die Restrukturierungsbombe platzte.
Im Falle der Niedersachsen-Metropole, in der 2016 die komplette Druckerei geschlossen werden soll, was 170 Menschen den Job kosten würde, sind die von der Explosion ausgelösten Druckwellen aus Sicht des Managements unerwartet heftig. Seit Wochen protestieren die Betroffenen – ob beim honorigen Maschseefest in mit Transparenten bestückten Tretbooten oder mit einem Motorradkorso in der Innenstadt – gegen den von Konzernchef Thomas Düffert als „unumstößlich“ verkündeten Beschluss. Selbst das eigene Hausblatt, die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) kam nicht umhin, den Konflikt mit einer Meldung zu bedenken, zumal er längst politische Dimensionen erreicht hat.
Denn die geplante Auslagerung des Druckauftrags für die in Hannover erscheinenden Titel HAZ und Neue Presse an die tariflose Firma Oppermann in Rodenburg geschieht mit Billigung des größten Madsack-Gesellschafters, der SPD-Medienholding DDVG. Die Sozialdemokraten geraten zunehmend in Erklärungsnöte, wie sich ihr politisches Eintreten für Arbeitsplätze und Tarifverträge mit dem radikalen Vorgehen des von ihrer Firma gestützten Managements in Einklang bringen lässt. Fragen, die unter anderem die CDU-Fraktion im niedersächsischen Landtag stellt und die angesichts der bekannt werdenden Fakten immer drängender werden. So hat sich Düfferts Behauptung, Oppermann trage die Last der nötigen Investitionen in die Druckerei-Erweiterung und gebe so Mittel für andere Projekte frei, als unzutreffend erwiesen. Wie sich aus den inzwischen bekannt gewordenen Verträgen ergibt, bürgt Madsack für wesentliche Teile der Finanzierung.
Ist Tarifflucht also ein Kernmotiv des Projekts? Die Umstände legen diesen Schluss nahe, denn das seit Jahren laufende Sparprogramm „Madsack 2018“ lässt sich mit den Schlagworten Zentralisierung, Personalabbau und Ausgliederung zusammenfassen – notdürftig kaschiert von sozialen Leistungen wie einer vergleichsweise großzügigen Altersteilzeitregelung in mehreren Unternehmen der Mediengruppe.
Über einen entsprechenden Tarifvertrag für OZ und LN will deren offiziell als Interims-Lösung fungierende Geschäftsleitung unter Führung von Konzernpersonalchef Adrian Schimpf nun zügig verhandeln. So soll offenbar das Haus, in dem der mit 141000 Exemplaren faktisch auflagenstärkste Titel des ganzen Konzerns erscheint, für die zum Oktober antretende neue Chefin Stefanie Hauer vorbereitet werden, die dann „Madsack 2018“ an der Küste exekutieren darf.
Bei einem Sondierungsgespräch haben die Gewerkschaft ver.di und der Deutsche Journalisten-Verband laut einer im Betrieb verbreiteten Information schon deutlich gemacht, dass sie auch für Überraschungen gewappnet sind: Die Forderung nach einem Sozialtarifvertrag, für den gegebenenfalls gestreikt werde, könne ebenso kurzfristig erhoben werden wie nach weitergehenden Regelungen zu Umstrukturierungen in verschiedenen Bereichen.
Spätestens dann wird die Frage „Wie hältst du es mit dem Tarif?“ auch für die Sozialdemokraten in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein ganz akut. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hat den von der DDVG mit-verordneten Opfergang der Drucker in Hannover scharf kritisiert. Dort liegen Alternativen auf dem Tisch, die vom Management bislang freilich ignoriert werden.