Kurierverlag zerlegt sich weiter selbst

Sparen und kein Ende in Neubrandenburg: Mit erneutem Outsourcing am Druckstandort auf dem Datzeberg, Schließung der letzten verlagseigenen Geschäftsstellen und Abwicklung des zentralen Redaktionssekretariats setzt sich der Prozess von Zersplitterung und Selbstauflösung fort.

Katerstimmung bei der einst 66-köpfigen Belegschaft von Nordost-Druck in Neubrandenburg. Nur wenige Monate nach Einweihung der von Ministerpräsident Sellering am 1.Mai mit warmen Worten gefeierten neuen Druckmaschine fanden sich die Mitarbeiter plötzlich in zwei Firmen wieder – auf der einen Seite des Gebäudes die im Betrieb verbliebenen 22 Kollegen der Rotation und Instandhaltung, auf der anderen die 44 Beschäftigten der Weiterverarbeitung, die zum 1. Oktober die zweite Ausgliederung binnen vier Jahren über sich ergehen lassen mussten.

Nach offizieller Lesart geht es um die Erschließung „neuer Geschäftsfelder bei der Verteilung von Prospekten und anderen Printprodukten“, wie Nordkurier-Geschäftsführer Thilo Schelsky dem zur Verlagsgruppe „Deutscher Drucker“ gehörenden Onlinemagazin print.de erklärte – mit Verweis auf den „stetig profitabler werdenden Logistik-Markt“.

Weitere Lohnkürzungen befürchtet

Kritische Beobachter der Neubrandenburger Szenerie sehen freilich ein ganz anderes Motiv: Es sei zu erwarten, dass mit der Ausgliederung in die Nordost-Medienlogistik GmbH & Co. KG die ohnehin schon deutlich unter Tarifniveau liegenden Löhne weiter gedrückt werden sollen.

Einen Nebeneffekt hatte das Outsourcing schon – die Auflösung des bisher fünfköpfigen Betriebsrates. Da es in der als Mini-Firma zuvor bereits existierenden Nordost-Medienlogistik GmbH & Co. KG schon eine Arbeitnehmervertretung gab, müssen sich die 44 dazu gekommenen Kollegen bis zur nächsten Wahl mit dem vorhandenen Ein-Mann-Betriebsrat begnügen.

Zumindest die Arbeitsplätze erscheinen auf dem Datzeberg, wo ab dem Jahreswechsel auch eine Teilauflage von Mecklenburg-Vorpommerns größtem Anzeigenblatt „Blitz“ produziert werden soll, derzeit relativ sicher – ganz anders als bei den übrigen Standorten der in mehr als zwei Dutzend Unternehmen zersplitterten Verlagsgruppe.

Letzte eigene Geschäftsstellen schließen

Dort wird weiter gründlich aufgeräumt. Zum Jahresende verabschiedet sich die Tageszeitung im Nordosten von den letzten eigenen Geschäftsstellen. Der Kehraus in Anklam, Neubrandenburg, Neustrelitz, Pasewalk und Ueckermünde kostet noch einmal 15 meist langjährigen Mitarbeitern den Job. Ebenso wie in Waren, Malchin und Demmin, wo das Aus bereits länger feststand, sollen „externe Dritte“ die bisher in den Geschäftsstellen angebotenen Leistungen, wie das Annehmen von Anzeigen, übernehmen.

Zuarbeiten für die Redaktion, zum Beispiel die Pflege von Termin-Seiten, müssen die Journalisten künftig allein schultern. Es ist nicht der einzige Schlag, der die Redaktion trifft. So soll bis April auch das Service-Pool genannte zentrale Sekretariat, das den Journalisten zuarbeitete, abgewickelt werden.

Nachfolge an der Redaktionsspitze unklar

Zudem ist immer noch unklar, wer die Nachfolge von Chefredakteur Michael Seidel übernimmt. Die Zeit drängt, denn der Chef wechselt zum 1. Januar 2013 in gleicher Funktion zur Schweriner Volkszeitung, wie der Deutsche Journalisten-Verband Mecklenburg-Vorpommern in seiner Zeitschrift „Kiek an“ meldet. Seidel hatte bereits im August den Abschied in Richtung Landeshauptstadt verkündet, doch die Neubrandenburger ließen ihn zunächst nicht ziehen.

Einen starken neuen Chef wird die Redaktion bitter nötig haben. Mit einer Verkaufsauflage von 83.500 büßten die Blätter der Verlagsgruppe im dritten Quartal 2012 gegenüber dem Vorjahr 3,28 Prozent ein – deutlich mehr als die Nachbarn Ostsee-Zeitung (–1,26 %) und Schweriner Volkszeitung (–0,74 %).


6. Dezember 2012