Glanz und Elend von „Madsack 2018“
Während die Ostsee-Zeitung ihren neuen Newsdesk öffentlich feiert, treten die Folgen des Personalabbaus in der Redaktion immer deutlicher zutage. An die Stelle festangestellter Redakteure treten zunehmend vermeintlich freie Mitarbeiter. Auch die Umsetzung der Umstrukturierungen im Verlagsbereich erweist sich als schwierig.
Größere Monitore, weniger Mitarbeiter: Die Ostsee-Zeitung feiert ihren neuen Nachrichtentisch.
Maskerade zur Weiberfastnacht: Vor etwa 100 geladenen Gästen hat die Ostsee-Zeitung (OZ) ihren neuen Regional- und Lokal-„Newsdesk“ eröffnet. An dem „Nachrichtentisch“ im Pressehaus am Steintor werden künftig die Ausgaben Grevesmühlen, Wismar, Bad Doberan und Rostock, die nicht von der Madsack-Zentralredaktion RND (RedaktionsNetzwerk Deutschland) erstellten Mantelseiten sowie die digitalen Angebote der größten Tageszeitung Mecklenburg-Vorpommerns wie am Fließband gefertigt. Eine weitere „Nachrichtenzentrale“ soll in Kürze in Stralsund für die Vorpommern-Ausgaben folgen.
Die Gäste wurden mit einem launigen Imagefilm, Führungen durch die Druckerei, Essen und Trinken sowie den unvermeidlich optimistischen Ansprachen der Chefetage unterhalten. OZ-Geschäftsführerin Stefanie Hauer, Chefredakteur Andreas Ebel und RND-Boss Wolfgang Büchner überboten sich vor der neuen großen Bildschirmwand im Lob für die erfolgten Investitionen, die stetig wachsende Effizienz durch Synergien und die Vorzüge der Zusammenarbeit in neuen Strukturen – bei der OZ wie natürlich auch innerhalb der ganzen Madsack-Mediengruppe, die den Rostocker Verlag beherrscht.
Kein kritisches Wort störte die offizielle Inszenierung des Personalabbaus – denn darum handelt es sich in Wirklichkeit: Um ein Drittel schrumpft der Personalbestand der Redaktionen zwischen Grevesmühlen und Usedom in den kommenden Jahren. So will es das von der Konzernzentrale in Hannover verordnete Sparprogrammm „Madsack 2018“.
Problematische Ausgliederung
Einen „holprigen Weg“ bilanziert der Betriebsrat in einer Veröffentlichung bei der Umsetzung der Umstrukturierungen im Verlagsbereich der OZ. Die Ausgliederung der Bereiche IT, Blattplanung und Logistik an Tochterfirmen des Madsack-Konzerns erwies sich als kompliziert. Bis zuletzt mussten die Arbeitnehmervertreter darum ringen, dass die Unterrichtung der betroffenen Beschäftigten korrekt erfolgt und die ihnen im Januar per Sozialplan zugesagten Leistungen, wie dynamische Fortgeltung der Tarife, auch tatsächlich verbindlich zugesichert werden.
Mit dem inzwischen vollzogenen Betriebsübergang beginnt ein sechs Monate währendes Übergangsmandat des OZ-Betriebsrates. Bis zu seinem Ende sollen die Mitarbeiter des Gutenberg Rechenzentrums Nord, des Madsack Markt & Media Service und der Madsack Logistik Nord eigene Interessenvertretungen wählen – gemeinsam an den Standorten Rostock und Lübeck für ganz Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein.
Statt bislang sechs Redakteuren sollen künftig nur noch vier in einer durchschnittlichen Lokalredaktion vor Ort sein. Deren Sekretariate – wichtige Anlaufstellen für Leser – werden schrittweise aufgelöst. Was die „Reporter“ an Geschichten heranschaffen, wird am Newsdesk druckfähig oder online-gerecht aufbereitet. Ökonomie ist das Gebot der Stunde: Beiträge, die gleich in mehreren Ausgaben „durchlaufen“ können, stehen hoch im Kurs. Das neue Layout erlaubt noch etwas größere Bilder und „Luftigkeit“ – sprich weniger Stellen, die gefüllt werden müssen.
Doch das reicht nicht: Mit dem vorhandenen Personalbestand sind die Seiten kaum zu füllen und erst recht nicht die ganzen Zusatzaufgaben zu leisten, die auf die Redaktionen einstürmen. „Aktionen“ scheinen das Gebot der Stunde – von Diskussionsforen mit Politikern über Kampagnen für die vor dem Abstieg stehenden Empor-Handballer bis zu Sonderveröffentlichungen zu Schulen oder neuen Projekten wie dem Online-Portal SportBuzzer.
Die Lösung? Es werden zusätzliche Mitarbeiter in prekären Beschäftigungsverhältnissen, sogenannte „Pauschalisten“, rekrutiert, die – zu deutlich schlechteren Konditionen und weitgehend sozial ungesichert – die überbordende Aufgabenflut bewältigen helfen. Was in anderen Unternehmen, so auch bei großen Verlagen in Köln und Kassel, längst die Kontrolleure von Hauptzollamt oder Sozialversicherungsträgern auf den Plan gerufen hat, wird bei der OZ – noch – weitgehend ungeniert praktiziert: Angebliche „freie Unternehmer“, die ganz normale Schichten besetzen, eigenständig Seiten füllen und fest in die Redaktionsabläufe eingetaktet sind.