Die Reduzierung journalistischer Ressourcen hat viele Facetten: Der Abbau der Sekretariate ist ein gravierendes Problem für die betroffenen Lokalredaktionen.
Dass ausgerechnet im viel beschworenen „Herz der Zeitung“, den zehn Lokalredaktionen zwischen Grevesmühlen und Usedom, gespart werden soll, will den Betroffenen bei der Ostsee-Zeitung nicht einleuchten. Wo bereits vielfach an der Belastungsgrenze gearbeitet wird, zählt jede Hand – gerade die der Mitarbeiter in den Sekretariaten. Deren Mitarbeiter sind unverzichtbare Helfer beim Verwalten der zahllosen Termine, beim Erstellen der Service-Seiten mit Veranstaltungsterminen und ärztlichen Notdienstnummern, kompetente Ansprechpartner für die Leser und bei vielen anderen täglich notwendigen Arbeiten.
Wie wichtig ihre Aufgabe ist, den Journalisten in vielen Punkten den
Rücken frei zu halten, unterstrich der OZ-Betriebsrat in der ersten
Anhörung vor dem Innenausschuss des Schweriner Landtags: „Redakteure
von heute fotografieren, layouten und erledigen bereits Dutzende
technische Handgriffe. Sie sind tatsächlich ,eierlegende
Wollmilchsäue‘. Genau das reduziert immer weiter die Zeit für ihre
eigentlichen Aufgaben: Für Recherche, die mehr als simples Aufschreiben
ist. Für die Nähe zu den Lesern. Für das Schreiben. Es geht also auf
Kosten der Qualität.“
Die Arbeitszeitregelung, die sich in den zehn Lokalredaktionen bereits bewährt hat, gilt künftig für alle Redakteure und redaktionellen Mitarbeiter der Ostsee-Zeitung: Auf dieses Ergebnis haben sich Betriebsrat, Geschäftsleitung und Chefredaktion mit Hilfe einer Einigungsstelle verständigt.
So funktioniert das System: Die einzelnen Redaktionen verständigen sich auf einen Dienstplan, in dem das Team weitgehend selbst bestimmt, wie gearbeitet werden soll. Wenn vom gemeinsam erstellten Plan abgewichen wird, etwa weil z. B. ein unerwarteter Abendtermin dazu kommt oder ein technisches Problem auftritt, wird das direkt in dem Plan dokumentiert – ebenso das „Abbummeln“ der geleisteten Mehrarbeit. Zum Wochenschluss wird Bilanz gezogen: Sind Mehr-oder Überstunden nicht durch Freizeit ausgeglichen? Im realen Leben reduziert sich so der befürchtete bürokratische Aufwand auf ein paar Minuten für Eintragen, Unterschreiben und zweimaliges Kopieren des Formulars für den Betriebsrat und Personalabteilung.
Lohn der kleinen Mühe: Es gibt Geld für nicht durch Freizeit ausgeglichene Überstunden und vor allem Transparenz über die tatsächliche Belastung. So können den Redaktionen nicht einfach weitere Belastungen aufgebürdet werden.
Der Effekt wurde unter anderem bei der Einführung des neuen
Redaktionssystems Hermes deutlich: Gestützt auf die Erkenntnisse gelang
es dem Betriebsrat, für den Zeitraum der Umstellung auf die neue
Software befristet zusätzliche Kollegen einzustellen. Die dauerhafte
Verstärkung der Lokalredaktion Rostock war ein weiteres Ergebnis.
Das spürt man bei der Schweriner Volkszeitung schmerzhaft: Mit der
Einführung eines neuen Redaktionssystems wurde der Hinauswurf der
Sekretärinnen gerechtfertigt. Doch die neue Software nimmt weder
Telefonate entgegen, noch erledigt sie andere vermeintliche
Hilfs-Tätigkeiten, die in den notorisch dünn besetzten Redaktionen der
SVZ geleistet werden müssen.
Doch während dort die anfallenden Überstunden nicht erfasst werden, hat
der Betriebsrat der Ostsee-Zeitung eine Arbeitszeitregelung in den
Redaktionen durchgesetzt (siehe nebenstehenden Beitrag). Diese macht
die tatsächliche Belastung offensichtlich und verhindert, dass den
Mitarbeitern nach Belieben zusätzlich Aufgaben übergehalst werden
können.
Die Interessenvertretung zieht eine positive Zwischenbilanz: „Unter Verweis auf die anderenfalls sicher noch häufiger anfallenden Überstunden sind wir mit der Geschäftsleitung in eine Diskussion darüber eingestiegen, wie die Arbeitsorganisation in den Lokalredaktionen künftig aussehen soll.“ Neuen Ideen stelle man sich nicht in den Weg, solange eine ausreichende Unterstützung gewährleistet bleibe. „Ein Vorgehen nach dem Motto ,Nehmen wir mal ein paar Leute raus und sehen, wie es sich dann zurecht schiebt‘ werden wird nicht akzeptieren.“ So ist es in einer Vereinbarung festgehalten, die jetzt unterschrieben wurde.
Beim Nordkurier in Neubrandenburg sind die Redaktionssekretariate in so genannten „Servicepunkten“ aufgegangen. Die in Teilzeit tätigen Sachbearbeiter müssen sich jedoch neben anderen Tätigkeiten vom Briefmarkenverkauf bis zur Paketannahme Aufgaben für die Vertriebsgesellschaften und den Brief- und Paketdienst des Verlages mit übernehmen. Zur Hilfe für die Redaktion bleibt da häufig kaum ausreichend Zeit.
Die versucht die Leitung stattdessen anderweitig zu organisieren: In
den neuen Arbeitsverträge, die Nordkurier-Redakteuren bei jeder sich
bietenden Gelegenheit angeboten werden, ist die 40-Stunden-Woche
vorgesehen, obwohl der nachwirkende Tarifvertrag dies eigentlich nicht
zulässt. Geht dieser Kurs auf, dürften bald die Arbeitsplätze in der
Service-Punkten - ohnehin meist Teilzeit-Stellen - womöglich schnell
vakant werden.