„Große Investition“, „klares Bekenntnis zum Druckstandort Rostock“,
Sicherung der „Wettbewerbsfähigkeit unseres Verlages“ - mit gut
gelaunten Worten pries Geschäftsführer Thomas Ehlers per Hausmitteilung
die Nachricht, dass die Gesellschafter drei Millionen Euro für die neue
Weiterverarbeitung der Ostsee-Zeitung (OZ) freigegeben haben. In der
Tat eine überfällige und dringend nötige Investition, hat doch die alte
Weiterverarbeitung, mit deren Hilfe Zeitungsbeilagen gesteckt werden
und am Ende das Packen in Pakete erfolgt, fast 20 Jahre auf dem
Buckel.
Die frohe Botschaft sorgte zunächst jedoch für reichlich Krach
hinter den Kulissen des Zeitungshauses. Hauptgrund dafür: Im gleichen
Zuge wurde bekannt gegeben, dass künftig zwei Lokalausgaben der OZ -
Wismar und Grevesmühlen - und damit ein Fünftel der Gesamtauflage bei
den Lübecker Nachrichten (LN) gedruckt werden sollen. Begründung: Es
gehe dann technisch nicht mehr anders, wenn der pünktliche Ausdruck und
die Zustellung der Zeitungen bis spätestens 6 Uhr weiter garantiert
werden sollen.
Es formiert sich zunehmend Widerstand gegen unsoziale Umstrukturierungen in der Mediengruppe: Bei den Kieler Nachrichten, auf die Madsack mittlerweile ebenfalls entscheidenden Einfluss gewonnen hat, verhandeln Geschäftsführung, Betriebsrat und Gewerkschaften über Alternativen zu drohenden betriebsbedingten Kündigungen.
Angesichts drohender Entlassungen in verschiedenen Bereichen des
Verlages hatte ver.di im Namen der Mitglieder die Forderungen nach
einem Sozialtarifvertrag erhoben. Die Rahmen der Gespräche sagte die
Geschäftsführung auch zu, einem vom Betriebsrat benannten
Sachverständigen Einblick in Bilanzdaten zu gewähren.
Von dem darauf folgenden Aufschrei wurde die Geschäftsführung
möglicherweise selbst überrascht, denn inzwischen kam der Rückzieher.
Beide Ausgaben sollen nun doch weiter in Rostock gedruckt werden, was
vom Betriebsrat ausdrücklich begrüßt wurde. Offizielle Begründung: Man
habe nach genauer Prüfung noch eine andere Lösung gefunden.
Dass neue Technik wie fast immer auch den Abbau von Arbeitsplätzen
mit sich bringt, war zu erwarten. So soll künftig eine moderne
Weiterverarbeitungslinie das leisten, wofür bisher drei Linien bereit
standen. Die Geschäftsführung kündigt „sozialverträgliche Lösungen“ an,
es werde keine Entlassungen geben.
Der energische Protest des Betriebsrates und vieler Mitarbeiter
hatte seinen Grund: Es wären nicht nur in Rostock täglich auf einen
Schlag 30 000 Exemplare der Tageszeitung weniger gedruckt worden. Die
Verlagerung wäre auch für die Redaktion ein schwerer Schlag ins Kontor
gewesen. Da die genannten Lokalausgaben in Lübeck zuerst produziert
worden wären, hätte für diese der Redaktionsschluss um bis zu zwei
Stunden vorverlegt werden müssen.
Auf jeden Fall ein Politikum erster Güte, denn bisher profitierte
vor allem Lübeck, seit Anfang 2009 hundertprozentiger Gesellschafter
der OZ, von der von Ehlers ausgegebenen Devise „Zwei Verlage, eine
Zukunft“. Größter Einschnitt war das Zusammenlegen großer Teile der
Mantelredaktionen beider Blätter am Standort Lübeck. Ohne ein Einlenken
der Leitung hätten sich die Gewichte weiter von der Warnow zur Trave
verschoben. Obwohl die Auflage der OZ mit rund 155 000 Exemplaren in
der Woche und 186 000 am Sonnabend deutlich höher ist als die der LN
(110 000, Wochenende 127 000), hätte das Lübecker Druckhaus um 10 000
Exemplare an seinem Rostocker Pendant vorbeiziehen können.
Bei aller Erleichterung - ganz vom Eis ist die Kuh noch nicht.
Geschäftsführung und Betriebsrat ringen weiter um die Frage, wie viele
Mitarbeiter künftig in der neuen Weiterverarbeitung tätig sein sollen.
Kontrovers diskutiert wird dabei auch über das Risiko, das die neue
Technik mit sich bringt. Sollte die einzig verbleibende Linie wegen
technischer Probleme ausfallen, würde die Zeitung ohne Beilagen
ausgeliefert. So bewegt sich die Zeitungstechnik in Rostock auf noch
dünnerem Eis, nachdem bereits 2006 aus zwei alten Druckmaschinen nur
noch eine neue wurde.