Das Branchenportal sieht die Ablösung der Geschäftsführerin von Ostsee-Zeitung und Lübecker Nachrichten in direktem Zusammenhang mit einem missglückten Auftritt Stefanie Hauers bei einem Redaktionsbesuch des SPD-Spitzenkandidaten Martin Schulz:
„Hauer hatte aber noch mehr Lobbyisten-Pfeile im Köcher. O-Ton: ,Nachdem
man sie an der anderen Stelle kaputtgemacht hat, muss man sie (die
Verlage, die Red.) danach mit Subventionen aufpäppeln oder in eine
bestimmte politische Richtung lenken, in dem man dann bei ihnen
einsteigt. Das kann ja nicht die Antwort darauf sein.' Ein unerklärlicher Fettnapf-Tritt der besonderen Art, wenn man bedenkt:
An der Madsack Mediengruppe ist die SPD-Medienholding ddvg beteiligt.
Dem Vernehmen hatte die Zeitungsmanagerin schon seit längerem mit Kritik
aus den eigenen Reihen und schwindendem Rückhalt aus der Zentrale zu
kämpfen. Wesentliche Vorwürfe: ein ruppiger Führungsstil und eine
unklare Markenführung. Das Video war dann wohl der Tropfen, der das Fass
zum Überlaufen brachte.“
Mit beißender Kritik kommentiert das Branchenportal, wie sich Stefanie Hauer, Geschäftsführerin von Lübecker Nachrichten (LN) und Ostsee-Zeitung, bei einem Interview der LN-Redaktion mit dem SPD-Politiker einmischte, um den Kanzlerkandidaten mit einem Klagelied über den Mindestlohn ins Kreuzverhör zu nehmen, obwohl dieser für Zeitungszusteller in voller Höhe später als in anderen Branchen eingeführt wurde:
„Dass im Rahmen eines Redaktionsbesuches sich eine Verlags-Geschäftsführerin ins Gespräch einklinkt und die Gelegenheit für Lobbyarbeit nutzt (für die es bekanntlich genügend Verbände gibt), ist an sich schon ein bemerkenswerter Vorgang. Wo sie es aber schon einmal getan hat, hätte Hauer die Gelegenheit für eine sachliche Diskussion nutzen können. Stattdessen begann sie vor Martin Schultz praktisch zu winseln. Ihre Einleitung gleicht einem Offenbarungseid, der in einer ungewöhnlichen Frage endete. So wollte sie von Schulz wissen, ob er als Kanzler Entlastung schaffen könne, beispielsweise indem er Verlagen geringere Sozialabgaben zusagt. Ob es von sonderlich viel Fingerspitzengefühl zeugt, ausgerechnet dem Kanzlerkandidaten der SPD in der heißen Wahlkampfphase im Live-Interview ein Nein zum Mindestlohn abzuringen, steht auf einem anderen Blatt. (...)
Das ohnehin schon eigenartige Gespräch lud sich auf: Hauer warf Schulz indirekt vor, Hilfe sei nur erforderlich, weil die Politik die Verlage an anderer Stelle ,kaputt gemacht' habe. Schulz ermahnte die Managerin, ihn ausreden zu lassen (...). Schließlich zeigte der Kanzlerkandidat Kante: ,Wenn das Ihre Meinung ist, dann können sie nicht die SPD wählen.' In der Redaktion sorgte der eigenwillige Auftritt dre LN-Geschäftsführerin noch zwei Tage danach für Kopfschütteln. Ein Teilnehmer zu meedia: ,Viele von uns hätten vor Fremdscham im Boden versinken können.' “
Bei dem zum Madsack-Konzern gehörenden Verlag zeigte der Verriss offenbar Wirkung; gut vier Stunden später schob das Portal diese Meldung nach – mit Verweis auf einen unbedachten Tritt ins Fettnäpfchen:
„Zusätzlich kritisierte sie, dass die Politik Verlage ,kaputt gemacht' habe und dass Parteien durch die Beteiligung an Zeitungsverlagen die Medien in eine ,bestimmte Richtung' lenkten. Wie sie diesen Vorwurf genau gemeint hatte (die SPD-Medienholding ddvg ist an der Madsack Mediengruppe mehrheitsbeteiligt), hat Hauer auf Nachfrage von MEEDIA nicht beantwortet. Stattdessen gab es eine Entschuldigung der Zeitungsmanagerin: ,In Form und Inhalt war es von mir persönlich ein unglücklicher Auftritt, für den ich mich nur entschuldigen kann.“
06.09.2017 Zum Beitrag (mit Link zum Video) Die „Süddeutsche“ beschäftigt sich
unter anderem am Beispiel der in Hannover sitzenden
Madsack-Gemeinschaftsredaktion RND, an die auch die Rostocker
Ostsee-Zeitung angeschlossen ist, mit der zunehmend zentral gesteuerten
Produktion von Regionaltiteln:
„Während Chefredakteur Koch die
Einführung des Redaktionsnetzwerkes als friedliche Revolution
bezeichnet, schimpften Mitglieder der ,gefledderten' Redaktionen über
den ,Reichsnachrichtendienst', der sie entmündige. Anstatt selbst zu
bestimmen, wie über die Haushaltsdebatte berichtet wird, erfahren die
Chefredakteure in der Morgenkonferenz, wie ihre überregionalen Seiten
aussehen. Von Fremdbestimmung will Koch aber nichts wissen. ,Die
Chefredakteure behalten weiterhin die Hoheit über ihr Blatt', sagt er.
(...) Für Gewerkschafter ist das pure Theorie. ,In den belieferten
Redaktionen wurde das Personal so ausgedünnt, dass es niemanden gibt,
der zusätzliche Recherchen übernehmen könnte', sagt Rainer Butenschön,
zuständig für Medien bei Verdi Niedersachsen-Bremen. Die Auswirkungen
der Zentralisierung hält er für verheerend. ,Aus einstigen
Vollredaktionen entsteht eine einzige Zentralredaktion mit regionalen
Anhängseln. Das reduziert die Informations- und Meinungsvielfalt
dramatisch.' “
Vor dem Hintergrund der aktuellen drastischen Sparmaßnahmen bei
Ostsee-Zeitung und Lübecker Nachrichten, die der
Vereinheitlichungsstrategie der Hannoversche Madsack-Gruppe zum Opfer
fallen, warnt ver.di-Medienexperte Martin Dieckmann davor, dass die
Entwicklung noch viel weitergehen könnte. Bereits zeichne sich eine
Zusammenarbeit von Verlagskonzernen wie Madsack, Funke und DuMont ab,
die durch die von der Bundesregierung geplanten Aufweichung des
Kartelllrechts noch weiter befeuert würde:
„Es geht hier darum,
dass wir in einer ersten Phase erleben, wie
die Konzerne alles nach demselben Strukturprinzip – das Lokale bleibt
vor Ort, das Allgemeine wird rationalisiert – ordnen. Da es durchweg
Konzerne sind, die längst das Schrumpfen der lokalen und regionalen
Märkte akzeptiert haben und da sie darüber hinaus erheblich Kosten für
Investitionen für die sogenannte digitale Transformation haben, kommen
sie langsam an die Grenzen der Verschlankung. Das ist die zweite
Phase des Umbaus: Die Konzerne fangen damit an, zentrale Prozesse nicht
nur im eigenen Konzern zu zentralisieren, sondern sie suchen die
Kooperation mit den anderen Konzernen. Genauso wie das Ansinnen, dass
eine Zentralredaktion mal ein bisschen bei der anderen einkauft. Genauer
gesagt, gibt es mittlerweile ganz eigene Märkte, in denen die Konzerne
miteinander abgleichen, ob die anderen es nicht doch ein bisschen
günstiger machen. (...) … Genau: das ist das Gespenst der
Einheitszeitung für ganz Deutschland mit einem bunten Strauß an
,regionalen Fenstern' “
Chefredakteur Lutz Schumacher kommentiert den vom Oberlandesgericht Rostock erlassenen Freispruch für den Nordkurier-Reporter, der einen Waidmann als „Rabaukenjäger“ bezeichnet hatte und zuvor zu einer Geldbuße von 1000 Euro verurteilt worden war:
„Ich bin beruhigt zu sehen, dass unser Rechtsstaat funktioniert. (...) Der Versuch, der Generalstaatsanwaltschaft, in die verbrieften Rechte der deutschen Presse einzugreifen, ist krachend gescheitert. (...) Die verantwortliche Justizministerin Uta-Maria Kuder (CDU) und ihr Staatsanwalt Helmut Trost sollten sich die Urteilsbegründung aus Rostock Wort für Wort gründlich durchlesen – das Urteil ist eine Nachhilfestunde in Sachen Verfassungsrecht.“
Formell selbstständig, in der Praxis billige Arbeitskraft – so schildert eine frühere Mitarbeiterin der Ostsee-Zeitung die Schattenseiten der Tätigkeit so genannter Pauschalisten: „Ich arbeitete ausschließlich und täglich in der OZ-Redaktion, bekam Aufträge häufig sogar noch spät abends über Facebook oder WhatsApp zugeteilt. Nie in meinem beruflichen Leben habe ich mich so abhängig geführt wie in meiner ,freiberuflichen' Zeit als OZ-Pauschalistin." Zusätzliches Geld für Extra-Leistungen wie Sonntagsdienste habe es nicht gegeben – „außer der mickrigen Pauschale von 2.000 Euro im Monat, mit der ich alle meine Sozialabgaben selbst begleichen musste. Was ist das für eine schräge Kultur des Miteinanders!"
OZ-Chefredakteur Ebel räumt bei einem Kurzinterview in der selben Ausgabe des „Kiek an“ ein, dass die Tätigkeit von Pauschlisten nicht mehr besonders begehrt ist: „Ja, es ist schwerer geworden, freie Mitarbeiter, aber auch Volontäre zu finden. Wie in vielen Branchen in MV hat der Kampf um die besten Köpfe auch uns erreicht. Erschwerend kommt hinzu, dass der Beruf des Journalisten momentan nicht so sexy ist, was auch daran liegt, dass sich unsere Branche lange Zeit selbst heruntergeschrieben hat.“
09.05.2016
Bemerkenswert findet die „Süddeutsche“ die Landtagsdebatte über die Zukunft der Medien in Mecklenburg-Vorpommern:
„Normal
ist das in Deutschland nicht, dass sich Politiker zu Partnern jener
Zeitungen machen, die über die berichten sollen. (...) Der Journalismus
sollte es eigentlich selbst schaffen, seine Leistungen so zu vermarkten,
dass er überlebensfähig ist. Trotzdem beschreibt die Schweriner Debatte
ganz gut, welche Sorgen das freie Wirtschaften auf dem Medienmarkt mit
sich bringt. Die Verlage haben ihre Zeitungen straffen
Rationalisierungsprogrammen unterzogen, um auf rückläufige Abonnenten-,
Auflagen- und Anzeigenentwicklungen zu reagieren. Der Stellenabbau
kostet Vielfalt und journalistische Qualität, viele Blätter beziehen
ihre Themen von Zentralredaktionen. Hendrik Zörner, Sprecher des
Deutschen Journalistenverbandes sagt: ,Je weiter Sie nach Norden kommen,
desto schlimmer wird es.' “
Mecklenburg-Vorpommerns zweitgrößte Regionalzeitung blickt auf die aktuelle Debatte in der Landespolitik zu „Zukunft
und Perspektiven der Medienlandschaft, wobei neben Vorschlägen von
Grünen und Linken ein überraschender Vorstoß von christdemokratischer
Seite in den Blickpunkt rückt:
„Um die Medienhäuser zu
sichern, könnte sich Vincent Kokert, Chef der CDU-Landtagsfraktion, auch
ein Finanzierungsmodell ähnlich wie das des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks vorstellen. ,Wir müssen über alternative Mittel wenigstens
einmal nachdenken', so Kokert. Einen Eingriff in die Pressefreiheit sehe
er darin nicht. (...) In Dänemark gebe es staatliches Geld, um den
Medienpluralismus zu gewährleisten. Die Besetzung des bewilligenden
Gremiums garantiere, dass eine politische Einflussnahme ausgeschlossen
ist. (...) Kokert, der seine Ideen beim Medienpolitischen Stammtisch der
Gewerkschafts-Initiative ,Unser Land braucht seine Zeitungen. Qualität
und Vielfalt sichern' heute in Schwerin diskutieren will, zeigte sich
besorgt über den Konzentrationsprozess in der deutschen
Verlagslandschaft.“
Die FAZ übt scharfe Kritik am Urteil des Landgerichts Neubrandenburg,
das eine Geldbuße gegen einen Journalisten im Nordosten bestätigte:
„Es
ist schon erstaunlich, mit welcher Hartnäckigkeit die Justiz in
Mecklenburg-Vorpommern an der Lesart festhält, bei der Bezeichnung
,Rabauken-Jäger', die ein Redakteur des ,Nordkuriers' für einen Jäger
gewählt hatte, der ein totes Reh ein paar Meter weit hinter seinem
fahrenden Auto über die Landstraße geschleift hatte, handele es sich um
eine strafwürdige Beleidigung. (...) Es war die der Justizministerin
unterstehende Generalstaatsanwaltschaft, welche die Bezeichnung nun
justitabel fand. Und das im Gegensatz zur eigentlich zuständigen
Staatsanwaltschaft, zu Stimmen aus der Rechtswissenschaft und dem
Deutschen Journalisten-Verband. Der ,Rabauken-Jäger', der die Anzeige
wegen Beleidigung stellte, und die Justizministerin, daran darf man an
dieser Stelle erinnern, gehören demselben CDU-Kreisverband an. (...) In
der Summe ergibt das jedoch reichlich Gründe für den ,Nordkurier', das
,Rabauken-Jäger'-Verfahren fortzusetzen und notfalls bis vor das
Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Es geht nur vordergründig um heftige
Polemik. Grundsätzlich geht es um die Pressefreiheit.“