(Un-)geschützt: OZ-Geschäftsleitung schießt mit Abmahnung Eigentor
Kritische Öffentlichkeit in eigener Sache – lieber nicht. Die
Plakate der Initiative „Qualität und Vielfalt sichern“ lagen der
Chef-Etage des Rostocker Verlages so schwer im Magen, dass sie
das Problem per Unterlassungserklärung aus dem Weg zu räumen versuchte. Das Argument
vermeintlich verletzter Markenrechte geriet freilich zum Rohrkrepierer.
Was man zeigen darf: Die attackierten Plakate.
Die Idee, wie sich OZ-Geschäftsführer Thomas Ehlers der ungeliebten Gegenöffentlichkeit
entledigen wollte, kam spät, aber schien verblüffend einfach: Flugs eine Abmahnung an die Gewerkschaft ver.di, die für die Initiative „Unser Land braucht seine Zeitungen“ presserechtlich verantwortlich ist, geschickt. Darin die Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung eingefordert. Und wenn die
Plakate oder entsprechende Motive auf der Internet-Seite „Qualität und Vielfalt sichern“ danach trotzdem wieder in
der Öffentlichkeit auftauchen sollten, würde es richtig teuer.
Begründung: Weil die Plakate neben den anderen Blättern des Landes
unübersehbar auch Exemplare der Ostsee-Zeitung zeigen, seien Rechte verletzt. Er untersage „ausdrücklich die weitere
Nutzung der Marke Ostsee-Zeitung“, verkündete Ehlers und gab sich postwendend wieder konziliant. Sollte die beigefügte Unterlassungserklärung
fristgerecht eingehen, werde man keine Kosten für diese Abmahnung
verlangen. „Dieses gilt natürlich nicht mehr für den Fall, dass wir
unsere Rechtsanwälte mit diesem Fall beauftragen müssen.“
Warum der OZ-Boss erst spät aufs Ganze ging, lässt sich nur mit einer spontanen Eingebung des gelegentlich zu Temperamentsausbrüchen neigenden Managers erklären. Ist doch die Kampagne gegen das Totschweigen dessen, was sich hinter den Kulissen der Tageszeitungen Mecklenburg-Vorpommerns abspielt, ebenso wenig neu wie die durch sie ins Rampenlicht gerückte Misere der Regionalpresse: Sparen auf Kosten der Qualität, Personalabbau, Tarifflucht, Ausgliederungen.
2008 hingen die ersten Plakate mit dem Motiv „Unser Land braucht seine Zeitungen“ in vielen Städten. Die zweite Serie mit dem Slogan „Achtung! Presse in schwierigem Fahrwasser“ ging 2011 an den Start.
Für den Manager eines Medienunternehmens ist die Story von der Verletzung des Markenrechts eine ziemlich gewagte Sicht der Dinge. Wäre es so einfach, könnten die Redakteure seines Hauses bald nur noch Beiträge schreiben, die keinem weh tun. Müssten sie dann doch jedes Mal vorher brav reihenweise Erlaubnisse einholen. Nicht nur fast jedes Wirtschaftsunternehmen, auch Sportvereine oder Kulturinstitutionen könnten so bei jedem kritischen Unterton die Nennung ihres Namens untersagen.
Selbst mit der politischen Berichterstattung sähe es finster aus. Die Sozialdemokraten –
über ihre Medienholding ddvg übrigens selbst (Mit-)Gesellschafter der Rostocker
Zeitung – sind tatsächlich im Besitz der Marke „SPD“ und des entsprechenden Logos. Aktenzeichen beim Deutschen Patent- und Markenamt:
3020080530499. Das Label ihrer christdemokratischen Koalitionskollegen
in Schwerin steht ebenso unter Schutz (Aktenzeichen: 3020100028815).
Dass Markenrecht freilich nicht einfach Meinungsfreiheit und das Recht zum Zitieren aushebeln kann, hätten erfahrene OZ-Redakteure – wenn sie denn gefragt worden wären – ihrem Chef sicher gesteckt. Mit dem Patentrecht bewanderte Juristen wären ebenfalls schnell ins Grübeln gekommen.
Und dass der Schutz einer Marke allerdings gar nicht so einfach ist, hat die Ostsee-Zeitung selbst erst unlängst erfahren. Mit dem Versuch, den Titelkopf auf Seite 1
mit dem markanten Doppel-Wappen in der Mitte beim Deutschen
Patent- und Markenamt allumfassend schützen zu lassen, ging das Blatt erst im vergangenen Jahr baden. Die Anmeldung
(Aktenzeichen: 3020120339018) wurde
wieder zurückgezogen.
Was irgendwie auf dem Dienstweg verloren ging, sorgt nun für Gespött in der Branche. O-Ton des spätestens jetzt bei Ehlers wohl ebenfalls nicht so gut gelittenen Medienmagazins „Zapp“ des NDR-Fernsehens: „Blöd nur, das Titel-Logo hat sich die Ostsee-Zeitung gar nicht schützen lassen, sondern nur ihr Briefpapier. Tja, leicht machen sie es sich wirklich nicht, die Zeitungen in Mecklenburg-Vorpommern.“