Professor Martin Stock lehrte Staats- und Verwaltungsrecht
an der Universität Bielefeld. Er ist Autor des Buches „Innere
Medienfreiheit – Ein modernes Konzept der Qualitätssicherung“. Er
meint: Die Forderung nach mehr Mitsprache für die Journalisten ist
aktueller denn je.
Martin Stock
Es geht dabei um journalistische Eigenverantwortung und Redakteursbeteiligung als Ausdruck eines neuen Grundrechtskonzepts, das die Medienfreiheit als „dienende Freiheit“ begreift und auf entsprechende medienstrukturell ansetzende Vorkehrungen zur Vielfaltssicherung angelegt ist. Allgemeiner ausgedrückt: Es geht um Qualitätssicherung durch eine Medienfreiheit, welche als Funktionsgrundrecht auszugestalten wäre.
Ich verwende den Begriff der inneren Pressefreiheit so, wie er schon
von der Redakteurs- und Statutenbewegung um 1970 verstanden worden ist.
Dieses Konzept ist auch heute noch nicht überholt, im Gegenteil.
Die Statutenbewegung richtete sich gegen damals viel erörterte Konzentrations- und Vermachtungserscheinungen auf Zeitungs- und Zeitschriftenmärkten. Solche Vielfaltverringerungen führte die Statutenbewegung auf ein Marktversagen zurück, das bereits in der Grundstruktur angelegt ist: Medienfreiheit als marktorientierte Medienunternehmerfreiheit (Verlegerfreiheit).
Was können Redakteursstatute daran ändern?Den Risiken der Medienunternehmerfreiheit kann man dadurch begegnen, dass ihr ein bestimmtes Maß an Journalistenfreiheit als „treuhänderisch“ verstandener, qualitätsorientierter innerer Medienfreiheit entgegengesetzt wird.
Dieses Qualitätssicherungskonzept wendet sich in grundsätzlicher Weise gegen die pressespezifische Kombination von Tendenz- und Gewerbefreiheit. Es will verlegerische Meinungsmacht durch binnenplural-diskursivische Komponenten begrenzen, wie sie sich schon beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk herausgebildet haben. Erwerbswirtschaftlich motivierte, unter anderem auf die Werbefinanzierung zurückgehende inhaltliche Verarmungs- und Entleerungseffekte sollen von innen heraus bekämpft und möglichst hintangehalten werden.
Die so verstandene, voll professionalisierte innere Pressefreiheit wird von der öffentlichen Aufgabe der Presse aus begründet: Äußere wie auch innere Pressefreiheit sind von Verfassungs wegen dazu da, der individuellen und öffentlichen Kommunikations-, insbesondere Meinungsbildungsfreiheit zu dienen.
Seriöse Blätter sollen ein umfassendes Informationsangebot bereitstellen, es analytisch-kritisch erschließen und interpretativ aufbereiten und auf diese Weise öffentliche Diskurse vermitteln. In diesem Sinn sollen sie – um eine berühmte Karlsruher Formel zu benutzen – „Medium und Faktor“ des Prozesses freier Meinungsbildung sein.
Martin Stock
Innere Medienfreiheit – Ein modernes Konzept der
Qualitätssicherung
Nomos Verlagsgesellschaft, Baden Baden 2001
ISBN-Nummer 978-378909072659
Wolfgang Hoffmann-Riem
Innere Pressefreiheit als politische Aufgabe
Luchterhand Verlag, Neuwied 1979
ISBN-Nummer 978-3472116417
In Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes ist dem Rahmen nach eine
Presserechtsreform vorgezeichnet. Innerhalb dieses Rahmens soll es eine
politische Obliegenheit der Legislative sein, tragfähige
pressegesetzliche Grundlagen einer inneren Medienfreiheit zu schaffen,
welche dann durch unternehmensintern zu vereinbarende, tunlichst
obligatorische Redakteursstatute näher auszugestalten ist.
In einigen Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmen kamen um 1970
tatsächlich Redakteursstatute zustande. Dann verlor die
Statutenbewegung jedoch zusehends an Einfluss.
Für reformmüde Politiker bot die Gegenoffensive der Verleger den
willkommenen Anlass, die Presserechtsreform auf die lange Bank zu
schieben.
In den Landespressegesetzen wurde das grosse Projekt, von einem
vorsichtigen, im Ergebnis verwässerten Versuch in Brandenburg 1992/93
abgesehen, nirgends aufgegriffen. Die schon vorhandenen
Redakteursstatute wurden auf dem anfänglichen Stand eingefroren, und
die Redakteursbeteiligung wurde in der Praxis nach und nach
zurückgedrängt.
Was sind die Konsequenzen dieses Scheiterns?
Die publizistischen Vielfalts- und sonstigen Qualitätsprobleme, die
am Anfang des Ganzen gestanden hatten, konnten im politischen Raum
nicht im Mindesten gelöst werden. Sie wurden im Wesentlichen
irgendwelchen markt- bzw. machtmäßigen Fügungen überlassen und sind
heute wieder zunehmend fühlbar. Das gilt auch für die neuen Länder und
die hier seit 1990 entstandenen, bereits in dem Medienbericht der
Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern vom Juli 2000 treffend
beschriebenen engen Marktstrukturen.
Sehen Sie Chancen für einen neuen Anlauf in Sachen innere
Pressefreiheit?
Was dem wirtschaftsliberalen Zeitgeist nicht passt, kann indes medienstrukturell durchaus relevant sein und bleiben. Wer die Dinge schon seit längerem beobachtet und begleitet, wird dabei manches Déjà-vu-Erlebnis haben, vor allem was die verfassungsrechtlichen Abwehrargumente betrifft. Davon sollte man sich nun wirklich nicht mehr beeindrucken lassen!
Denn entscheidend ist etwas ganz anderes: Zum einen muss man ein
fachlich adäquates modernes Regelungskonzept haben, zum andern die
politische Kraft und den politischen Willen, dieses regulatorische
Konzept dann auch durchzusetzen.