OZ-Neujahrsempfang: Sellering mahnt journalistische Sorgfalt an
Der Regierungschef Mecklenburg-Vorpommerns kritisiert Fehler in der Berichterstattung bei der größten Tageszeitung des Landes – und findet sich damit sogar im Blatt wieder.
Ein derartiger journalistischer Aufwand wird bei der Ostsee-Zeitung (OZ) nur im Ausnahmefall betrieben: Fünf Text-Autoren und drei Fotografen setzte das Blatt nach eigenen Angaben zur Berichterstattung über den Neujahrsempfang des Verlages im Rostocker Radisson-Hotel ein. Rund 400 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Medien, Kultur und Sport des Landes waren der Einladung zu dem diesmal unter dem Motto „Mecklenburg-Vorpommern – ein Land voller Energie“ inszenierten Gesellschaftsereignis gefolgt, für das Studenten und Mitarbeiter der „Designakademie“ die passende Kulisse gezaubert hatten.
Ministerpräsident Erwin Sellering mochte bei dem Smalltalk-Event diesmal aber nicht nur in gewohnter Form Höflichkeiten austauschen. In seinem Grußwort schlug er ungewohnt harsche Töne an: Bei aller Bedeutung der OZ für die Region müsse er doch „kritisch anmerken“, dass es in letzter Zeit Fälle gab, bei denen man eine Richtigstellung habe durchsetzen müssen. „Einfach weil Artikel sachlich falsch waren. Ich meine nicht Bewertungen oder kritische Kommentare. Sondern schlicht die Behauptung von etwas, das nicht stimmt.“
Mancher Gast hielt da erstaunt die Luft an - derart kratzbürstig hatte sich der SPD-Politiker lange nicht mehr präsentiert. Gibt sich Sellering bei derlei Auftritten doch sonst eher als milder Landesvater. So verlor etwa ein paar Monate zuvor bei der Einweihung der neuen Druckmaschine in Neubrandenburg kein Wort über Tarifflucht und fragwürdige Arbeitsbedingungen beim Nordkurier.
Offenkundig lag dem Ministerpräsidenten eine OZ-Schlagzeile besonders schwer im Magen, die ihm einen höheren Verdienst als Bundeskanzlerin Merkel unterstellte. Die Behauptung hat das Blatt ebenso zurückziehen müssen wie Vorwürfe wegen angeblich manipulierter Personalratswahlen gegen CDU-Mann Michael Silkeit, der zudem Chef der Polizeigewerkschaft GdP ist.
Die Redaktion, deren neuer Chefredakteur Andreas Ebel auf dem Empfang sein Debüt in dieser Funktion gab, zeigte sich souverän: Sie hob die Kritik mit voller Schärfe ins Blatt.
Nicht erledigt hat sich damit jedoch die Diskussion, ob solche Pannen nicht auch eine Folge davon sind, dass knallige Schlagzeilen und flotte Boulevard-Schreibe bei Mecklenburg-Vorpommerns größter Tageszeitung wie bei vielen anderen Titeln gegenüber sorgfältiger, zeitaufwändiger Recherche zunehmend die Oberhand gewinnt.
OZ-Geschäftsführer Thomas Ehlers, der die eigene „kompetente Berichterstattung“ lobte, sah keinen Anlass zu Selbstzweifel. Der Manager will die Energie des Verlages in neue digitale Angebote stecken. In den kommenden Monaten werde eine „Bezahlschranke“ errichtet, um angesichts des stagnierenden Geschäfts mit dem Gedrucktem neue Erlösquellen zu erschließen.