Krimi rechnet mit flacher Regionalpresse ab
Aus seinen Erfahrungen als langjähriger Redakteur der Ostsee-Zeitung (OZ) schöpfte Autor Horst Krieg reichlich Inspiration für seinen Roman-Erstling „Das Phantom“. Der enthält teilweise bitterböse Seitenhiebe auf den Boulevard-Kurs des Blattes.
„Das schweinischste Handwerk auf der Welt: Lokalredakteur zu sein in der Provinz.“ Mit Hans Fallada stimmt der langjährige OZ-Redakteur Horst Krieg gleich am Anfang seines Krimi-Debüts auf die Untiefen journalistischer Arbeit ein. Bei einem Blatt namens „Seestädter Zeitung“ sollen Redakteure in erster Linie „fluffig“ schreiben und die Leser ja nicht mit zu vielen Problemen behelligen. Geschweige denn hinter die Kulissen der Stadtpolitik sehen, wo zwielichtige Investoren seelenruhig auf Kosten der Allgemeinheit die Strippen ziehen. Qualität sei schließlich kein Verkaufsargument, weist der Chef die letzten Zweifler in die Schranken, die noch von Redaktionen träumen, „in denen Recherchieren nicht nur erlaubt, sondern gefordert wird“. Es komme, so bringt es einer auf den Punkt, „nicht darauf an, die Welt zu erklären oder zu verbessern, sondern seinen Platz in ihr zu finden“.
Kriegs Seitenhiebe auf den Rostocker Filz und die seit dem Abgang ihres früheren Chefredakteurs im Jahr 2006 deutlich auf Boulevard-Kurs getrimmte Ostsee-Zeitung sind unübersehbar – allen Verfremdungen und dem üblichen Hinweis auf „rein zufällige Ähnlichkeit“ zum Trotz. Ein Déjá-vu-Erlebnis auch für die Redaktion, die sich erst Wochen nach Veröffentlichung des Romans zu einer über unliebsame Details hinweghuschenden Rezension durchrang.
Service: Horst Kriegs Roman „Das Phantom“ ist beim BS-Verlag in Rostock erschienen (ISBN 978-3-86785-181-7; 208 Seiten; 12,80 Euro).
Spannener als der mäßig packende Krimi-Plot sind die mit teils
bitterbösen Seitenhieben gespickten Einblicke in die Niederungen eines
vielerorts typischen Redaktionsalltags. Während alte Tugenden wie
journalistische Sorgfalt und hartnäckiges Recherchieren immer weniger
zählen, geht es nun vor allem darum, mit möglichst wenig Aufwand viele
bunte Seiten zu füllen. Das Leben sei komplex, Spezialisten schadeten
nur, und die Leser wollten ja nicht ständig mit Problemen behelligt
werden, gibt der aus Hamburg eingeflogene neue Chef die Linie vor. Und
die Redakteure fügen sich derlei „Wohlfühlterror“ – mit einer Mischung
aus Anpassung, Zynismus und Resignation.
Von „vierter Gewalt“ keine Spur - das kommt den Mächtigen in Politik und
Wirtschaft bestens zupass, die so seelenruhig mit teils kriminellen
Methoden ihre Schäfchen ins Trockene bringen können, während sich die
„Seestädter Zeitung“ unter dem Motto „Jeden Tag mit neuem Inhalt“ selbst
auf den Arm nimmt. Mit exakt diesem Slogan hat die Ostsee-Zeitung
selbst einmal geworben, wie auch sonst vieles Rostockern und erst recht
OZ-Insidern verdächtig bekannt vorkommen dürfte.
Doch dass erst
der Chef des Seestädter Blättchens entführt wird und am Ende ein
Zeitungsredakteur den großen Komplott aufdeckt, das ganze Filz-Gebäude
ins Wanken bringt, ist natürlich ebenso Fiktion wie das Projekt
„Synergetische Effekte bei ortsferner Produktion zur Steigerung
journalistischer Qualität“. Dass Beiträge für die Lokalredaktion von
Billig-Kräften auf den Seychellen zusammenzuschraubt werden, ist von der
Realität (noch) ein ganzes Stück entfernt.