Kontroverse um Presse-Förderung bei Medienpolitischem Stammtisch

Eine Runde aus Politikern, Journalisten und Wissenschaftlern diskutiert im Schweriner Schloss über die Situation der von Sparmaßnahmen gebeutelten Tageszeitungen in Mecklenburg-Vorpommern. Muss die Politik auf den Plan treten, um eine Abwärtsspirale zu stoppen? Oder kann und muss die Branche mit eigenen Kräften umsteuern?

Kann staatliche Förderung die Qualität im Journalismus stabilisieren oder gar verbessern? Die Teilnehmer der von Michael Schmidt (NDR) moderierten Podiumsdiskussion beim Medienpolitischen Stammtisch im Schweriner Schloss sind geteilter Meinung: Vincent Kokert, Fraktionsvorsitzender und medienpolitischer Sprecher der CDU im Landtag, sieht die Presse am Scheideweg. Angesichts der mangels Ressourcen stetig sinkenden Qualität, etwa der landespolitischen Berichterstattung, macht er sich stark für eine vorbehaltlose Debatte über alternative Finanzierungskonzepte. Dem Niedergang der letzten Jahre dürfe man nicht weiter zusehen. Gerade Mecklenburg-Vorpommern käme bei diesem Thema eine Vorreiterrolle zu, weil die Konzentration und Ausdünnung der Presse hier besonders weit vorangeschritten sei.

Elizabeth Prommer, Professorin am Institut für Medienforschung der Universität Rostock, zeigt sich skeptisch. Man dürfe die Verleger nicht aus der Verantwortung entlassen. Schließlich verdienten die meisten Zeitungen – auch im Nordosten – weiterhin gutes Geld, wenngleich die Rendite nicht mehr zweistellig sei.

Hoffnung auf Umdenken im Management

Anzeichen für ein Umdenken in der von zahllosen Sparrunden geplagten Branche glaubt Michael Seidel, Chefredakteur der Schweriner Volkszeitung, zu erkennen. Die Prognosen, die vom Ende des gedruckten Worts noch in diesem Jahrzehnt ausgingen, hätten sich als falsch erwiesen. Subventionen  könnten sich eher als Hemmnis für nötige Veränderungen erweisen. So habe die staatliche Förderung in Frankreich dazu geführt, dass einige Blätter auf dem Niveau der 70er-Jahre stehen geblieben seien. Seidel räumt zugleich aber ein, dass die Arbeitsbedingungen in den vergangenen Jahren angesichts einer immer dünner werdender Personaldecke schwieriger geworden sein.

Corinna Pfaff, Landesgeschäftsführerin des Deutschen Journalisten-Verbandes, konstatiert eine fortschreitende Entwertung des Journalistenberufs, was sich am zunehmenden Einsatz immer schlechter bezahlter Neu-Einstellungen ablesen ließe. Sie kritisiert die Arbeitsverdichtung an den Produktionsdesks und bei den durch Land eilenden Reportern, die zu immer mehr Gesundheitsproblemen führten.

Ostsee-Zeitung rutscht AfD-Hofbericht ins Blatt

Trotz insgesamt guter Noten für die Politik-Berichterstattung: Peinliche Ausrutscher gibt es bei den Tageszeitungen im Land immer wieder. So hebt die Ostsee-Zeitung in einer vorpommerschen Lokalausgabe einen unkritischen Bericht über die Gründung einer Ortsgruppe der rechtslastigen AfD in Anklam ins Blatt, den dazu noch der Vater des Landesvorsitzenden Matthias Manthei verfasst hatte.

Nicht nur der SPD-Landtagsabgeordnete Patrick Dahlemann, der von einem „befremdlichen“ Liebesbrief an die AfD sprich, ist irritiert, sondern auch die Führungsetage des Blattes, die sich davon sofort distanziert. „Handwerklich nicht akzeptabel“, stellt Chefredakteur Ebel gegenüber dem NDR-Rundfunk klar.

Wie sich solche Pannen ausschließen lassen sollen, wenn wie geplant die Redaktion um ein Viertel verkleinert wird, steht auf einem anderen Blatt

Landespolitik will Medien mehr Aufmerksamkeit geben

Einig sind sich alle Diskutanten, dass die Tageszeitungen mehr Aufmerksamkeit der Demokraten  benötigen. Der Medienbericht der Landesregierung habe in den vergangenen Jahren ein Schattendasein geführt, räumte Helmut Holter, Fraktionschef und Medienexperte der Linken, ein. Allein durch eine intensivere Beschäftigung mit dem Thema könne das Schweriner Parlament ein wichtiges Signal in der Diskussion um Qualität und Vielfalt setzen.

Doch auch die Tarifpartner seien in der Pflicht, um etwa durch Besetzungsregeln ausreichend Ressourcen für eine gute Berichterstattung bei erträglichen Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Voraussetzung dafür wäre freilich die Rückkehr der derzeit tariffreien Blätter Schweriner Volkszeitung und Nordkurier in die Diskussion mit den Gewerkschaften.

Wissenschaft gibt Berichterstattung noch gute Noten

Zum Auftakt des Abends hatten Professorin Prommer und ihr wissenschaftlicher Mitarbeiter Stephan Görland Ergebnisse ihrer Studie „Politische Berichterstattung in regionalen Tageszeitungen im Spiegel der Pressearbeit der demokratischen Parteien“ vorgestellt. Diese hatte den Journalisten im Nordosten bei einer Analyse der Berichterstattung zur Bundestagswahl 2013 insgesamt gute Noten erteilt. Das unkommentierte Veröffentlichen von Pressemitteilungen politischer Parteien sei – trotz einiger Defizite – die absolute Ausnahme.

Die Medienwissenschaftler gaben zudem Einblick in den aktuellen Diskussionsstand um die Bedeutung sozialer Medien wie Facebook und Twitter. Ihr Befund: Nur ein geringer Teil der Internetnutzer ist auf diesen Kanälen auch wirklich aktiv. Ihre teils lautstarken Wortmeldungen und extremen Positionen verzerrten nicht nur die öffentliche Wahrnehmung. Sie fügten sogar der Glaubwürdigkeit der Medien selbst Schaden zu. So hätten Forscher herausgefunden, dass Beiträge mit aktivierter Kommentar letztlich in der Wertschätzung der Leser sinken. Deshalb hätten verschiedene Zeitungen die entsprechenden Funktionen ganz oder teilweise abgeschaltet.

Service: Die komplette Studie des Rostocker Instituts für Medienforschung zum Herunterladen als PDF-Datei finden Sie hier.
9. März 2016