Anhörung zu Bericht der Staatskanzlei
Schweriner Innenausschuss beleuchtet „geordneten Rückzug“ der Medien
Bei der öffentlichen Anhörung zum Medienbericht der Landesregierung diskutierten Abgeordnete und Sachverständige die Situation in Presse, Funk und Internet. Zeit zum Handeln, mahnt die Initiative „Unser Land braucht seine Zeitungen“.
Die Zeitung sei im Vergleich zu neuen Medien einfach nicht mehr so „sexy“, brachte Thomas Ehlers bei der Innenausschuss-Sitzung im Schweriner Plenarsaal seine Sicht der Dinge für den Verband der Zeitungsverleger auf den Punkt. Und der Geschäftsführer der Ostsee-Zeitung (OZ) sprach auch gleich Klartext, wie es mit der Branche weitergehen müsse - Anpassung an den zunehmenden Wettbewerb durch Reduzierung der Kosten. Es gelte, den „geordneten Rückzug zu organisieren“. Trotz des erheblichen Abbaus von Mitarbeitern in der Vergangenheit seien die aktuellen Tarifverträge nicht mehr haltbar. Im Gegenzug forderte Ehlers eine „ausreichende Rendite“, um die Unabhängigkeit der Blätter zu gewährleisten. Eine Antwort darauf, wie hoch diese denn sein solle, blieb er trotz mehrerer Nachfragen schuldig.
Nicht nur hier hatten die Mitglieder des Innenausschusses ganz schön zu knabbern Der Vorsitzende des Gremiums, Gottfried Timm (SPD), hinterfragte die Gründe, die Leser dazu brächten, die Zeitungen - oft nach vielen Jahren - schließlich doch abzubestellen. Eine schlüssige Antwort erhielt er von den anwesenden Medien-Chefs jedoch ebenso wenig wie der medienpolitische Sprecher der CDU, Armin Jäger, der den Verlust an inhaltlicher Breite und journalistischer Tiefe beklagte.
Für die Initiative „Unser Land braucht seine Zeitungen. Qualität und Vielfalt sichern“ nahm Ernst Heilmann im Namen der Gewerkschaft ver.di, des Deutschen Journalisten-Verbandes und des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu dem von der Staatskanzlei vorgelegten Bericht zur Medienlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern Stellung. Das Papier dokumentiere die fortschreitende Konzentration, die mit einer zunehmenden Verarmung der ohnehin geringen publizistischen Auswahl einher ginge, so der Gewerkschafter. „Der professionelle Journalismus wird ausgezehrt – das spüren zunehmend auch die Leser. Die starke Schlagzeile dominiert; für den Blick auf Hintergründe und Zusammenhänge fehlt immer häufiger die Zeit.“
Rechtsextreme Blätter profitieren von Presse-Krise
Der Rückzug der demokratischen Presse begünstige die Medienoffensive rechtsextremer Kräfte. An Hand aktueller Beispiele aus Blättern wie dem "Anklamer Boten" beleuchtete Heilmann die Medienaktivitäten der rechten Szene, deren Ausweitung NPD-Fraktionschef Udo Pastörs prompt ankündigte.
Gewerkschafter Heilmann unterstrich die Forderung nach einer Überarbeitung des Landespressegesetzes: Die Unterrichtung von Parlament und Regierung über die Lage der Medien müsse auf Basis wissenschaftlicher Daten verbessert, die Verlage sollten zu mehr Transparenz über Besitz- und Beteiligungsverhältnisse sowie ihre publizistischen Grundsätze gegenüber der Öffentlichkeit angehalten werden.
Wesentlich sei zudem eine Verankerung der inneren Pressefreiheit als Reaktion auf den praktisch vollkommen verschwundenen publizistischen Wettbewerb in der Region, so Heilmann. Es gelte, die journalistische Unabhängigkeit durch Mitsprache in wichtigen Fragen zu stärken. Als einen Beleg dafür, wie schnell sie unter die Räder kommen könne, benannte er die verlagseigenen Postdienste: Sie würden in der Berichterstattung hofiert; Defizite, etwa bei den Arbeitsbedingungen, würden hingegen systematisch ausgeblendet.
Heilmann appellierte angesichts der aufgezeigten besonders schwierigen Situation Mecklenburg-Vorpommern an die Abgeordneten: „Wir sehen Sie in der Pflicht, Schrittmacher in dieser Frage zu sein.“
Betriebsräte schildern Arbeitsbedingungen in der Praxis
Im Namen des Betriebsrats der Ostsee-Zeitung schilderte Robert Haberer die Erfahrungen mit der Beteiligung von Journalisten an der inhaltlichen Diskussion und benannte die in der Praxis offenbar gewordenen Defizite der bestehenden Regelungen. Auf dem Weg, mehr demokratische Teilhabe zu organisieren, sei man nur ein Stück vorangekommen. "Gerade drohen wir sogar, die Richtung wieder zu verlieren", bilanzierte der Betriebsratsvorsitzende mit Blick darauf, dass das neue Layout der Ostsee-Zeitung und ihre weitere Angleichung an die Lübecker Nachrichten ohne die verbindlich vereinbarte Aussprache aller Redakteure eingeführt worden sei.
Die Interessenvertretung der mv:m, der gemeinsamen Mantelredaktion von Schweriner Volkszeitung und Nordkurier, berichtete aus dem Alltag, der in eine gemeinsame Tochterfirma der beiden Verlage ausgegliederten Abteilung. Ralf Herbst beschrieb Arbeitsverdichtung unter anderem durch die Zunahme technischer Arbeiten.
Ganz anders dagegen die Sicht aus der Chef-Ebene: Der seit Jahresanfang amtierenden Geschäftsführer von Antenne MV, Robert Weber, bestritt vehement, dass es einen Abbau von redaktionellen Ressourcen bei dem Privatsender gegeben habe, Die Frage, wie viele Mitarbeiter man in der Redaktion vor Ort derzeit beschäftige,ließ Weber allerdings ins Leere laufen.
OZ-Geschäftsführer Ehlers ging anfangs stattdessen zum Gegenangriff über. Er beklagte - ziemlich ungewöhnlich für einen Medien-Manager - die Veröffentlichung von Personalien im Medienbericht. So die Entlassung des Chefredakteurs der Schweriner Volkszeitung, die Ehlers mitnichten als eine solche bezeichnet wissen wollte. Derartige Fakten gehörten nicht in eine Unterrichtung der Volksvertreter.
Was die Politik tun könnte, deutete der Direktor der Medienanstalt Mecklenburg-Vorpommern, Uwe Hornauer, an. Er warb für eine Förderung der publizistischen Vielfalt, die für die demokratische Gesellschaft unabdingbar sei. Sie könne nicht allein durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk garantiert werden, sondern bedürfe einer Mischung unterschiedlicher Medien. Hornauer verwies auf die Bedeutung neuer Verbreitungswege und sprach sich für die Vielfalt sichernde Maßnahmen aus.
Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern hatte 2008 einstimmig einen jährlichen Bericht über die Entwicklung der Medienlandschaft und den Stand der Pressefreiheit im Nordosten bei der Landesregierung in Auftrag gegeben.