Eigenlob in Zeiten des Personalabbaus bei LN und OZ
Medienscheue Selbstdarsteller: Während sich die Chefetage in Lübeck und Rostock in der eigenen Zeitung ausgiebig bis zur Schmerzgrenze feiern lässt, weicht sie kritischen Nachfragen lieber aus.
Mit einer opulenten Doppelseite haben die Lübecker Nachrichten (LN), Mutter der wie sie zum Madsack-Konzern gehörenden Ostsee-Zeitung (OZ), die Inbetriebnahme ihres Newsdesks gefeiert. So erfuhren auch die Leser des Blattes (verkaufte Auflage: 91 000 Exemplare), dass 23 individuell dimmbare Deckenlampen über 31 Arbeitsplätzen des Großraumbüros leuchten, in dem künftig alle journalistischen Aktivitäten zusammenlaufen sollen.
Etwa 80 Gäste waren der – dem Vernehmen nach mitunter recht hartnäckig vorgetragenen – Einladung zum Empfang mit Madsack-Konzernchef Thomas Düffert und LN-/OZ-Geschäftsführerin Stefanie Hauer gefolgt. Auffällig: In dem laut Artikel „illustren Kreis“ war der wohl prominenteste Gast Björn Engholm, der ehemalige Ministerpräsident Schleswig-Holsteins (SPD). Vertreter der aktuellen Kieler Landesregierung ließen sich hingegen nicht blicken. Dafür protestierten Mitarbeiter der LN vor dem Gebäude gegen die ihnen drohenden Entlassungen.
Zähes Ringen um jede Stelle
Die schwierigen Verhandlungen zwischen den von Sachverständigen begleiteten Betriebsräten, der Gewerkschaft ver.di und der Geschäftsleitung stehen im Zeichen der Forderung nach Verhinderung von Entlassungen: Im Detail wurde zuletzt laut einer Information des Rostocker Betriebsrates an die Belegschaft über in Betracht kommende Ersatzarbeitsplätze diskutiert sowie die Optionen, durch tariflich abzusichernde Arbeitszeitverkürzungen Stellen zu erhalten. Darüber hinaus waren Altersteilzeit und vorzeitiger Renteneintritt Themen.
In Grundzügen besprochen wurde ein von der Geschäftsführung vorgelegter Entwurf für einen freiwilligen Interessenausgleich sowie einen Sozialplan. Dieser soll Nachteile mildern, etwa beim Wechsel auf eine andere Stelle, sowie Abfindungen beim Verlust des Arbeitsplatzes regeln.
Strittig ist insbesondere die vom Betriebsrat geforderte Einrichtung einer Transfergesellschaft. Sie könnte Betroffenen, von denen viele seit Jahrzehnten bei OZ und LN arbeiten, helfen, eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt zu finden.
Die Kundgebung fand in der Berichterstattung ebenso wenig Beachtung wie
die Tatsache, dass die Einrichtung des Newsdesks Teil einer radikalen
Umstrukturierung ist, der allein in der Redaktion der LN ein Drittel der Stellen zum Opfer fallen – von den nun drohenden Kündigungen im Verlagsbereich ganz zu schweigen. Düfferts Predigt („Wir glauben an die Region, an
die Heimat. Denn in dieser Zeit gibt es eine tiefe Sehnsucht nach
Verankerung und Orientierung.“) soll wohl vergessen machen, dass
ausgerechnet die Lokalredaktionen ausgedünnt werden, während
überregionale Inhalte längst in Form fertiger Seiten ohnehin aus
Hannover kommen.
Dafür durfte Geschäftsführerin Hauer im Blatt von einem geradezu messianischen Erlebnis schwärmen – ihrer ersten Begegnung mit einem Mann, der „nicht klagte, sondern eine konkrete Vision hatte, wie Zeitungsverlage fit werden für die Zukunft. Es handelte sich um Thomas Düffert, den Vorsitzenden der Geschäftsführer der Madsack Mediengruppe, zu der die LN gehören.“
Wenn sich der Marketing-Nebel („Newsroom 4.0“) verzieht und harte Fakten
gefragt sind, wird Geschäftsführerin Hauer („Sie sollen die Ersten
sein, die hinter die Kulissen blicken.“) schnell einsilbig. Das musste
der NDR bei seinen Recherchen zur Situation bei den LN erfahren, dessen Bemühungen um ein nicht geschöntes Interview mit der Chefin im Sande verliefen.