In einem offenen Brief machen Betroffene auf die schwierige Situation bei Mecklenburg-Vorpommerns größter Tageszeitung aufmerksam.
Streikversammlung vor dem Medienhaus Rostock.
Einen Tag vor der fünften Runde der bundesweiten Tarifverhandlungen für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen haben sich streikende Journalisten der Ostsee-Zeitung (OZ, aktuelle Auflage rund 125 000 Exemplare) in einem offenen Brief an Geschäftsleitung und Chefredaktion des Blattes sowie den Bundesverband der Zeitungsverleger (BDZV) gewandt: „Geben Sie uns endlich das, was wir verdienen, egal ob Feste oder Freie: Respekt, Anerkennung, Wertschätzung!“
„Wissen Sie überhaupt, wie es mittlerweile in den Redaktionen aussieht? Seit Jahren bauen Sie massiv Personal ab, überschütten die Verbliebenen mit zusätzlichen Aufgaben für alle Kanäle und drücken immer weiter die Preise“, heißt es in dem auf einer Versammlung vor dem Medienhaus am Rostocker Steintor beschlossenen Schreiben. „Das bekommen vor allem diejenigen zu spüren, die Sie zu ,marktüblichen Konditionen’ in tariffreien Firmen anstellen und dort ,leistungsgerecht nach freier Vereinbarung’ vergüten oder die Sie als Freie mit mickrigen Honoraren abspeisen. Und dann wundern Sie sich, dass Sie keine guten Leute mehr finden, wenn es doch mal eine Stelle zu besetzen oder einen Auftrag zu vergeben gilt!“ Bislang ist der BDZV nicht einmal zu einer Anpassung der Gehälter und Honorare bereit, die auch nur die Inflation ausgleichen würde. Die Gewerkschaften fordern neben einer angemessenen Erhöhung eine deutliche Besserstellung von Berufseinsteigern, deren Einkommen um mindestens 200 Euro erhöht werden sollen. Zudem soll der in weiten Teilen Deutschlands bereits geltende Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche freie Journalisten künftig auch in Mecklenburg-Vorpommern angewendet werden. Dem Ausstand schlossen sich erneut Mitarbeiter der noch tariflosen Tochterfirma Ostsee Information & Medien GmbH (OIM) an, die zu deutlich schlechteren Bedingungen – weniger Gehalt, längere Arbeitszeit, keine Altersversorgung – eingestellt worden sind. „Wir sagen Ihnen: Das Maß ist voll! Die stetig wachsende Belastung der Kolleginnen und Kollegen muss gestoppt, die Arbeit besser vergütet und wieder auf mehr Schultern verteilt werden“, mahnen die Streikenden mit Blick auf den massiven Stellenabbau bei der OZ durch die Mediengruppe Madsack, deren größter Einzelgesellschafter die SPD-Medienholding ddvg ist, und den daraus resultierenden Qualitätsverlust. „Lassen Sie uns endlich reden über vernünftige Besetzungen der Redaktionen und Möglichkeiten, wie Kolleginnen und Kollegen wieder intensiver recherchieren und näher an den Menschen und ihren Problemen sein können. Nur ein Qualitätsprodukt lässt sich auch gut verkaufen. Doch dafür müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Facebook-Posts dürfen nicht wichtiger sein als gründlich recherchierte Beiträge, leicht generierte Klicks nicht wichtiger als seriöse Inhalte.“