SPD wegen Madsacks Kahlschlag-Plänen unter Druck
Drastischer Stellenabbau, Tarifflucht, schrittweises Zerlegen der Verlage in Einzelfirmen - und alles mit sozialdemokratischem Segen? Die von der Zentrale des Hannoverschen Medienkonzerns diktierten Einschnitte bei Ostsee-Zeitung und Lübecker Nachrichten werden zunehmend zum Politikum, denn die parteieigene Medienholding mischt im Hintergrund kräftig mit.
Den Auftakt für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein hatten sich Lübecks Sozialdemokraten sicher anders vorgestellt. Kaum hatte die Wahlkreiskonferenz in der Travestadt begonnen, machten Mitarbeiter der Lübecker Nachrichten (LN) mit Unterstützung der Gewerkschaft ver.di ihrem Unmut Luft: Als „Miteigentümerin“ stehe die Partei in der Verantwortung für das, was in dem Verlag derzeit geschieht.
39 von 109 Stellen würden in der Redaktion
bis Ende 2018 abgebaut, heißt es in einem offenen Brief, der an die Delegierten verteilt wurde. „Im übrigen Verlagsbereich, Anzeigen, Vertrieb,
Marketing, IT, Vorstufe müssen 13 Mitarbeiter in tariflose
Gesellschaften wechseln. 18 Mitarbeitern droht die Entlassung.“
Dass die SPD selbst an derlei Grausamkeiten mitverdient, passt nicht ins Bild einer Partei, die sich sonst gern als Wächterin sozialer Gerechtigkeit und der Einhaltung von Tarifverträgen darstellt. Doch selbst den meisten Genossen an der Basis ist nicht bekannt, dass die sozialdemokratische Medienholding mit 23 Prozent größter Einzelgesellschafter jenes Hannoverschen Medienkonzerns ist, der seit drei Jahren unter dem Motto „Madsack 2018“ ein rigides Sparprogramm mit drastischem Personalabbau und Zerlegung von Verlagen in viele tariffreie Einzelfirmen durchzieht – Schließung ganzer Betriebsteile, von der Druckerei bis zum Callcenter, inbegriffen.
Nachdem Deutschlands viertgrößter Verlagskonzern an Standorten wie Hannover, Leipzig oder Potsdam mit derart rüden Methoden gründlich aufgeräumt hat, ist nun der Norden an der Reihe – ungeachtet der im Jahr 2014 verbuchten Millionengewinne. Allein bei der Ostsee-Zeitung (OZ) wurden laut Bilanz über sieben Millionen Euro erwirtschaftet – ein Spitzenwert innerhalb der an den finanziellen Folgen ihrer Expansionspolitik kränkelnden Mediengruppe.
Mitarbeiter der Lübecker Nachrichten verteilen auf der SPD-Wahlkreiskonferenz einen offenen Brief zur Lage ihres Unternehmens.
So soll es die Rostocker OZ in den Bereichen Verlag und Technik noch
härter treffen als Lübeck. Nach den Plänen der Geschäftsleitung würden
rund 50 Stellen abgebaut – durch Ausgliederung in tariffreie Firmen, vor
allem aber mit Stellenstreichungen. 19 Mitarbeitern droht der Gang in
die Arbeitslosigkeit.
Überraschend kommt dies in Betracht des
„Vorlaufs“ an anderen Madsack-Standorten nicht. Dass die Maßnahmen
unmittelbar nach der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern verkündet
wurden, mutet den OZ-Mitarbeitern jedoch wie ein ziemlich seltsamer
Zufall an.
Bei der SPD stand die Rostocker Belegschaft zuvor
schon einmal „auf der Matte“. Als das Eindampfen der Redaktion um ein
Viertel der Stellen angekündigt wurde, protestierten Mitarbeiter in
Rostock bei einer ähnlichen Wahlauftaktveranstaltung wie jetzt in Lübeck
und landeten prompt einen Wirkungstreffer. Ministerpräsident Erwin
Sellering lud Betriebsratsmitglieder und Gewerkschafter zum Gespräch in
die Staatskanzlei, versprach zwar nichts und sagte aber immerhin zu,
sich im Rahmen seiner Möglichkeiten für die Beschäftigten einzusetzen.
Madsack
mühte sich in den darauffolgenden Monaten um ein möglichst
geräuschloses Vorgehen. Das Streichkonzert in der Redaktion ging dank
eines mit den Gewerkschaften abgeschlossenen
Altersteilzeit-Tarifvertrages bisher ohne Kündigungen über die Bühne;
Zugeständnisse in Richtung einer besseren Besetzung der Produktions- und
Reporterteams gab es allerdings nicht.
Nun hat sich der
Konflikt schlagartig wieder zugespitzt. Die Gewerkschaft ver.di hat die
Geschäftsleitung von OZ und LN zu Verhandlungen über Maßnahmen zur
Beschäftigungssicherung aufgefordert und schlägt als Weg
Mindestbesetzungsregelungen für Redaktion und Verlagsbereich vor.
Zugleich liegt die Forderung für einen Sozialtarif auf dem Tisch, sollte
die Leitung auf Kündigungen beharren.
Im Klartext: Regt sich auf
der Gegenseite nichts, stehen die Zeichen auf Streik. Damit wächst auch
der Druck auf die SPD und ihre Medienholding.