Ostsee-Zeitung kehrt Streik unter den Tisch
Journalisten aus Lokalredaktionen und Mantelressorts der Ostsee-Zeitung haben im Rahmen der Tarif-Auseinandersetzung erstmals ganztägig die Arbeit niedergelegt – vor dem Hintergrund, dass die Verleger im Norden damit drohen, ganz aus dem Tarif auszusteigen. Gegenüber seinen Lesern ging das Blatt in dieser Angelegenheit auf Tauchstation
Mit einer ungewohnten Zusammenstellung der Lokalausgaben sahen sich
viele Leser der Donnerstagsausgabe der Ostsee-Zeitung (OZ) konfrontiert.
Die massenweise Übernahme von Seiten und Beiträgen aus benachbarten
Regionen war ein Teil des Versuches, die Auswirkungen des Streiks der
Journalisten auf das Blatt zu begrenzen. Eine Erklärung für die
Auseinandersetzung, ihre Gründe und Folgen blieb das Blatt, das sich
sonst gern seines intensiven Kontakts mit den Lesern rühmt, diesmal
schuldig.
Die Verhandlungsführer Kajo Döhring (DJV) und Frank Werneke (ver.di) bei der Kundgebung.
Angesichts der akuten Drohung der Verleger in
Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, den
Flächentarif zu verlassen, hatten am Mittwoch Journalisten in
Lokalredaktionen und den Mantelressorts der OZ gemeinsam mit Kollegen
anderer Blätter im Norden die Arbeit erstmals ganztägig niedergelegt.
Bei einer Kundgebung in Berlin, wo die Verhandlungen stattfanden,
machten sie deutlich: „Der Norden steht zum Flächentarif!“
Den Vertretern des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und
den Mitgliedern der Tarifkommissionen beider Gewerkschaften übergaben
die Streikenden eine Resolution. „Eine Aufteilung des Landes in
Gehaltszonen sollte 25 Jahre nach der Wiedervereinigung nun wirklich
Schnee von gestern sein“, heißt es darin. Während der Kundgebung
diskutierten die Teilnehmer mit Mitgliedern der Tarifkommissionen, aber
auch Vertretern des BDZV, darunter Verhandlungsführer Georg Wallraf, vor
dem Verhandlungsort im International Club Berlin im Stadtteil
Charlottenburg.
Vor dem Pressehaus in Rostock versammelten sich
Kollegen aus Verlag und Druck zu einer Protestkundgebung. Ihre
Botschaft: „Gemeinsam verteidigen wir unsere Arbeitsbedingungen!“
Georg Wallraf, Verhandlungsführer des BDZV, im Gespräch mit den Streikenden aus Rostock.
Bei
den Kieler und Lübecker Nachrichten traten Kollegen ebenfalls in den
Ausstand. Bereits am Montag wurde die Hamburger Morgenpost bestreikt.
Die Redakteure in Süddeutschland (Bayern, Baden-Württemberg, Hessen) und
Nordrhein-Westfalen befinden sich zum Teil schon seit Ende vergangener
Woche im Arbeitskampf.
Die Tarifverhandlungen blieben auch in der
neunten Runde ohne Ergebnis. Die Verleger beharrten auf ihrer Forderung
nach einer Kürzung der Einkommen der Redakteure. Im Norden verlangen
sie gar ein Sonderopfer in Form einer sofortigen Absenkung von
Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld. Anderenfalls würden
sie den Bundestarif verlassen.
Um für diesen Fall vorbereitet zu sein, hat ver.di bei der
Ostsee-Zeitung wie in anderen Medienunternehmen eine betriebliche
Tarifkommission gebildet. Sie soll allerdings nicht nur in dem Fall
aktiv werden, dass die Geschäftsleitung der zum Madsack-Konzern
gehörenden OZ ihre Drohung wahrmachen und den Tarif verlassen sollte.
Die
auf einer Mitgliederversammlung gewählten Vertreter wollen die
Anstrengungen koordinieren, auch für die Beschäftigten in den
gegenwärtig tariflosen Tochterfirmen zu erreichen. Aktuell liegen deren
Bezüge um bis zu ein Drittel unter den tariflichen Leistungen.
Die Streikenden vor dem International Club Berlin.