Oberlandesgericht prüft Nordkurier-Verträge für „Freie“

Die umstrittenen „Rahmenvereinbarungen“, die der Nordkurier seine „freien Mitarbeiter“ unterschreiben lässt, beschäftigen jetzt das höchste Gericht im Land. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sieht mit den Verträgen das Urheberrecht in unzulässiger Weise ausgehebelt. Die Vertreter der Neubrandenburger Verlagsgruppe sprechen dagegen von einem „Geben und Nehmen souveräner Vertragsparteien“.

„Alles für immer und ausschießlich.“  Knapper, als von Oberlandesgerichtspräsident Burkhard Thiele formuliert, lässt sich die Rechte-Abtretung, die der Nordkurier seinen freien Autoren abverlangt, kaum auf den Punkt bringen. Die Frage, ob und inwieweit ein derart tiefer Eingriff in das Urheberrecht zulässig ist, hält Justitia seit 2009 in Atem.

Gelang es dem Journalisten-Verband im ersten Anlauf, die umstrittenen Verträge per einstweiliger Verfügung fast komplett kassieren zu lassen, ruderte 2011 das vom Nordkurier angerufene Landgericht Rostock zurück, erkannte fünf der zehn umstrittenen Klauseln an. So darf die Neubrandenburger Verlagsgruppe weiter ihren „freien Mitarbeitern“ per Generalklausel für die gezahlten Honorare ein zeitlich und räumlich unbeschränktes Nutzungsrecht an den Texten und Fotos – von der Verwertung im Radio, Internet und in Datenbanken bis zum Aufdruck auf T-Shirts und Tassen – abtrotzen und sich zudem ohne Einschränkung die Weitergabe an Dritte vorbehalten.

Konsequenz: Der DJV ging in Berufung, und die Chancen, dass sich die Waage wieder in die andere Richtung neigt, scheinen nicht schlecht zu stehen. Schon zu Beginn der Verhandlung meldet das Oberlandesgericht vorsichtig Zweifel an der Zulässigkeit einer derart weitgehenden Rechteübertragung an. Damit würde zugleich auch das Recht zur unbeschränkten Weitergabe an Dritte, deren Konsequenzen kaum überschaubar sind, zur Disposition stehen.

Was die vom Nordkurier ins Rennen geschickten Anwälte und Chefredakteur Michael Seidel dagegen ins Feld führen, hört sich an wie ein Bericht aus einer anderen Welt. In einer Rahmenvereinbarung wäre doch alles zulässig, „wenn der Preis stimmt“, erklärt Weberling, der in der Branche eine bekannte Größe ist, regelmäßig für die Verleger-Seite in die Schlacht zieht. Wenn für das Durchgeben eines Sportergebnisses fünf Euro gezahlt werden, dann wäre das gewiss sehr gut bezahlt.

Bei „anspruchsvollen Beiträgen“ gebe es natürlich deutlich mehr, so Weberling, der das Bild von verhandlungsstarken freien Mitarbeitern zu zeichnen sucht. Es sei ein „Geben und Nehmen"  – zwischen „Unternehmern“. Natürlich könne der Einzelne auch andere Vertragsbedingungen aushandeln, so wie es 30 Autoren getan hätten.

Gerichtspräsident Thiele erlaubt sich zwischendurch den Scherz, die Kammer könnte sich bei solchem Bedingungen auch schon mal für die freie Mitarbeit in Neubrandenburg melden. Hinsichtlich der Wandelbarkeit der Verträge meldet er dann jedoch ernsthaft Zweifel an. „Wenn ich die einmal unterschrieben habe, hänge ich da drin.“

Wie wenig „freie“ Journalisten beim Nordkurier zu lachen haben, schildert DJV-Landesgeschäftsführerin Sibylle Ekat. Viele hätten in Betracht der miserablen Bedingungen bereits resigniert, ihren Beruf aufgegeben. DJV-Anwalt Christian Donle wird noch deutlicher. „Die Beklagte zahlt fast gar nichts. Sie liegt so weit unter den Vergütungsregeln, dass man darüber nicht mehr reden kann.“

Die umstrittenen Verträge wurden 1400 „freien“ Mitarbeitern des Nordkuriers zur Unterschrift vorgelegt, was Verleger-Anwalt Weberling zur Behauptung veranlasst, der DJV wäre gar nicht zur Klage legitimiert. Es handele sich um Werbetexter, Sportwarte und andere Informationsgeber. Die 28 hauptberuflichen Journalisten, die der Verband vertreten könne, wären eine Größe im Promille-Bereich.

Dieses Argument dürfte kaum verfangen; das Oberlandesgericht hat bereits zum Auftakt der zweistündigen Verhandlung durchblicken lassen, dass es das Klagerecht des DJV wohl nicht in Frage stellen wird. Das Urteil soll am 9. Mai verkündet werden.
2. Mai 2012