Streikende Journalisten der Ostsee-Zeitung, Lübecker und Kieler Nachrichten bei einer gemeinsamen Kundgebung in Lübeck.
Notausgaben: Tarifkonflikt um Journalisten spitzt sich zu
Nach einem Solidaritätsstreik der Drucker ist die Ostsee-Zeitung an zwei Tagen in verringertem Umfang und verspätet erschienen. Die Streikenden nehmen die SPD als wesentlichen Verantwortlichen für den jahrelangen Abbaukurs auf Kosten der Mitarbeiter ins Visier.
Streikende Journalisten der Ostsee-Zeitung in der Diskussion mit SPD-Regionalgeschäftsführer Günther Pastow am Büro des SPD-Kreisverbandes Bürgerbüro des SPD-Landtagsabgeordneten und Finanzministers Mathias Brodkorb in Rostock.
Folge der zentralisierten Einheitsberichterstattung in der Mediengruppe Madsack: Die Leser der Ostsee-Zeitung (OZ) erfuhren aus einem in der Zentralredaktion RND in Hannover verfassten Beitrag lediglich Teilaspekte des Tarifkonflikts, durch den an zwei Tagen hintereinander das Blatt in einer Notausgabe erschienen war.
Was der Bericht unterschlug, auf den mit einem verschämten Vierzeile („Warnstreik: OZ-Produktion beeinträchtigt“) von Seite 1 verwiesen wurde: Neben einer angemessenen Erhöhung der in den letzten Jahren durch die Inflation stetig gesunkenen Gehälter geht es den Streikenden vor allem um bessere Arbeitsbedingungen.
So fordern sie neben besseren Bedingungen für jüngere Kollegen eine Übernahme des Tarifvertrages für arbeitnehmerähnliche freie Journalisten, der seit vielen Jahren bereits in Schleswig-Holstein und anderen westlichen Bundesländern gilt. Diese häufig als Pauschalisten bezeichneten Mitarbeiter tragen eine erhebliche Last in durch den massiven Personalabbau der letzten Jahre ausgedünnten um ein Viertel der Stellen reduzierten Redaktionen der größten Tageszeitung Mecklenburg-Vorpommerns mit einer aktuellen Auflage von 125 000 Exemplaren.
Einen wesentlichen Verantwortlichen für das als „Madsack 2018“ bezeichnete Kostensenkungsprogramm des Konzerns mit Stammsitz in Niedersachsen sehen die Betroffenen in dessen größten Einzelgesellschafter, der SPD-Medienholding ddvg. In einer spontanen Demonstration zogen sie deshalb vor das Büro des Landtagsabgeordneten und Finanzministers Mathias Brodkorb sowie des SPD-Kreisverbandes in Rostock und übergaben einen offenen Brief, in dem sie auf die Situation in ihrem Betrieb aufmerksam machen.
„Die Gesellschafter tragen die Verantwortung für den rabiaten Sparkurs der Geschäftsführung, der durch den Stellenabbau der vergangenen Jahre zu einer massiven Arbeitsverdichtung geführt hat“, so Corinna Pfaff, Geschäftsführerin der Deutschen Journalisten-Verbandes. „Ohne die Zustimmung der ddvg wäre das Unterlaufen der geltenden Tarife, das mittlerweile in allen Bereichen um sich greift, nicht denkbar“, so Martin Dieckmann, Landesfachbereichsleiter der Gewerkschaft ver.di. Die SPD in Mecklenburg-Vorpommern müsse sich fragen lassen, wie sie öffentlich für mehr Tarifschutz eintreten könne, während sie im eigenen Verantwortungsbereich genau das Gegenteil zulasse. „Es geht hier um die Glaubwürdigkeit.“
Nach einer gemeinsamen Kundgebung der Streikenden von OZ, Lübecker und Kieler Nachrichten am Mittwoch in Lübeck, hatten sich in der Nacht zu Donnerstag Mitarbeiter der Rostocker Druckerei in einem Solidaritäts-Ausstand an der Auseinandersetzung beteiligt. Die Ostsee-Zeitung erschien deshalb in weiten Teilen des Verbreitungsgebietes in gedruckter Form nur verspätet und in reduziertem Umfang. Noch in der Nacht diskutierten die Streikenden ihre Anliegen mit OZ-Chefredakteur Andreas Ebel. Der sicherte einmal mehr eine offene Diskussion zu.
Doch tatsächlich setzt das Management wohl mehr auf Einschüchterung: Als Machtdemonstration wurde auch der Druck der folgenden Ausgabe in der Nacht zu Freitag nach Lübeck verlagert, so dass das Blatt wieder zu spät bei seinen Lesern zwischen Usedom und Dassow ankam.