Nordkurier: Oberlandesgericht stärkt Rechte von „Freien“
Die Neubrandenburger Verlagsgruppe darf ihren „freien Mitarbeitern“
nicht weiter per Generalklausel für die gezahlten Honorare ein zeitlich
und räumlich unbeschränktes Nutzungsrecht abtrotzen. Das
Oberlandesgericht Rostock gab einer Klage des Deutschen
Journalisten-Verbandes (DJV) gegen die umstrittenen Rahmenvereinbarungen
des Nordkuriers in wesentlichen Teilen statt. Das Urteil ist
rechtskräftig, eine Revision wurde nicht zugelassen.
Als „Sieg für die Freien“ wertet der Deutsche Journalisten-Verband das
Urteil von Mecklenburg-Vorpommerns höchstem Gericht, mit dem die
umstrittenen Rahmenververeinbarungen des Nordkuriers weitgehend
Makulatur geworden sind. Der Verlagsgruppe wurde verboten, ihren nicht
festangestellten Mitarbeitern weiter per Generalklausel für die – ohnehin
bescheiden honorierten – Texte und Fotos zusätzlich auch noch ein
einbeschränktes Nutzungsrecht jenseits des Abdrucks in der Zeitung
abzutrotzen.
Für den von der Verlagsgruppe geforderten Freibrief –
von der Verwertung im Radio, Internet und in Datenbanken bis zum
Aufdruck auf T-Shirts und Tassen – findet das Gericht in der
Urteilsbegründung drastische Worte: „Wenn sich der Verwender der
Allgemeinen Geschäftsbedingungen in einem derart weit gehenden Umfang
Nutzungsrechte einräumen lässt, die den Urheber letztlich von allen
künftigen Verwendungen bzw. Weiterübertragungen von Nutzungsrechten in
jeder Hinsicht ausschließt, liegt ein Gestaltungsmissbrauch vor.“ Die
Regelung entferne sich „in einem eklatanten Maße von dem tragenden
Grundgedanken des gesamten Urheberrechts“.
Gründlich zerpflückt
hat die Kammer auch das Bild freien Unternehmertums, das die
Verlegerseite für ihre Texter und Fotografen zu zeichnen versuchte. Da es
im Verbreitungsgebiet für die Beiträge faktisch keinen weiteren Abnehmer
gebe, trete der Nordkurier „im Regelfall mit der Marktmacht eines
Monopolisten“ auf, entsprechend höher sei die „Schutzbedürftigkeit der
Journalisten“ zu werten.
Für „intransparent“ und somit unzulässig
erklärt das Gericht zudem eine Klausel, die „freien Mitarbeitern“ die
Wahrnehmung des Urheberrechtes im Fall eines möglichen Konfliktes mit
wirtschaftlichen Interessen des Verlages verbieten sollte. Denn die
Folgen eines solchen Zugeständnisses könne ein Journalist bei
Vertragsabschluss gar nicht abschätzen.
Das Urteil, für das eine
Revistion nicht zugelassen ist, setzt den Schlussstrich unter den
seit 2009 dauernden Rechtsstreit zwischen Journalisten-Verband und
Nordkurier. Ließ das Landgericht Rostock 2010 noch fünf der zehn der vom DJV
angefochtenen Vertragsklauseln stehen, sind es nun noch drei. So darf
das Eigentum an Manuskripten und Bildern weiter an den Verlag
übergehen, und der Abnehmer ist auch nicht zur Veröffentlichung der
Beiträge verpflichtet.
Grundsätzlich zulässig bleibt außerdem die
Weitergabe von Urheberrechten an Dritte. „Kaufen“ kann sich der
Nordkurier dafür vorerst freilich nichts, da die entscheidende Schlacht –
der Streit um das unbeschränkte Nutzungsrecht von Texten und Fotos –
verloren ging.
Bundesweit sind die Neubrandenburger mitnichten
ein Einzelfall, wie ein ebenfalls am 9. Mai 2012 ergangenes Urteil des
Thüringer Oberlandesgerichtes unterstreicht. Die Erfurter Kammer
kassierte per einstweiliger Verfügung Honorarbedingungen der Suhler
Verlagsgesellschaft, bei ihren „Freien“ in ähnlicher Weise
die Urheberrechte aushebeln wollte.
Ob nun ein Umdenken in der Branche einsetzt, bleibt abzuwarten. Der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken fordert Konsequenzen: „Ich hoffe, dass die beiden Urteile in den Chefetagen deutscher Printverlage aufmerksam gelesen werden.“ Auf jeden Fall seien den Verlagen die Grenzen aufgezeigt worden, so der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. Das stärke die wirtschaftliche Position der Freien.
Service: Die
Urteile der Oberlandesgerichte Rostock (Aktenzeichen 2 U 18/11)
und
Erfurt (Az. 2 U 61/12) sind im Internet auf der Seite des Deutschen
Journalisten-Verbands zu finden.