Die Praktiker haben das Wort: Helga Lange (li.) Ombudsfrau bei der „WAZ“ und Thomas Rogalla von der Redakteursvertretung der Berliner Zeitung berichteten im Besucherraum des Landtags aus ihrer Arbeit. Sibylle Ekat (re.) moderierte den 1. Medienpolitischen Stammtisch.
Das funktioniert! Aus erster Hand erfuhren die Gäste des
Medienpolitischen Stammtischs, wie eine Redakteursvertretung im Alltag
funktioniert und welchen Beitrag eine Ombudsfrau als Bindeglied
zwischen Lesern und Blattmachern leisten kann, um die Qualität der
Zeitung zu verbessern.
Thomas Rogalla, Mitglied der Redakteursvertretung der Berliner Zeitung
berichtete über die Entstehung des Gremiums und seine Arbeit. Als
Reaktion auf den Kauf des Blattes durch den umstrittenen Finanzinvestor
David Montgomery hatten die rund 130 Journalisten vor zweieinhalb
Jahren aus Sorge um die publizistische Qualität die Forderung nach
einem Redaktionsstatut erhoben. Es sollte die Unabhängigkeit der
Redaktion sichern. „In der Stunde der Not sahen wir keine andere
Möglichkeit, als zu handeln – allen Ängsten und Vorbehalten zum
Trotz.“
Die Erarbeitung und Durchsetzung des Statuts beschrieb Rogalla als
einen teils aufwändigen Prozess zur Klärung des Selbstverständnisses.
„Wir standen vor der Frage: Was wollen wir mit unserer Zeitung und was
wollen wir nicht.“ Das nahm Kraft und Zeit in Anspruch, so dass
angesichts eines großen Diskussionsbedarfs an zwei Tagen die
Frühausgabe der Berliner Zeitung ausfiel. „Wir mussten einmal nicht für
die Zeitung, sondern für die Redaktion arbeiten.“ Vor allem sorgte die
so dokumentierte Entschlossenheit dafür, dass die Forderung endlich
ernst genommen und schließlich eine Vereinbarung abgeschlossen
wurde.
Der Lohn der Mühe sei ein Mehr als Selbstbewusstsein der Redaktion,
das alle Beteiligten motiviere und die Kreativität stärkt. „Statute
sind konstruktiv, denn die Diskussion ist auch im Interesse des
Verlages, weil man mit der alten Gutsherrenart keinen Erfolg im Alltag
hat.“ Die Regeln würden die Redakteure stärker an die selbst
festgelegten Standards binden, als das eine Weisung „von oben“ jemals
könne. Zum Beispiel, wenn es um die klare Trennung zwischen
redaktionellen Inhalten und dem Anzeigengeschäft geht.
Vor allem habe sich das Statut als alltagstauglich erwiesen: Das lediglich dreiköpfige Gremium stelle keine bürokratische Instanz dar, sondern könne viele Konflikte, etwa um die unzulässige Verquickung von Werbung und Artikeln, allein durch sein Anhörungsrecht lösen. Im Hintergrund wirke das verbriefte Recht, notfalls in Streitfällen an die Öffentlichkeit zu treten.
Mit Blick auf die Situation in Mecklenburg-Vorpommern rief Rogalla
die Politik angesichts der besonderen Herausforderungen eines
Flächenlandes zum Handeln auf. Eine gesetzliche Regelung würde helfen,
eine Basis zu schaffen, auf der sich die Redaktionen organisieren
könnten. Die ständige Aufmerksamkeit sei ebenfalls eine wichtige
Ermutigung.
Eine Zwischenbilanz nach einem halben Jahr im neuen Amt zog Helga
Lange, Ombudsfrau der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Die Stelle
wurde als Ergebnis einer innerbetrieblichen Diskussion darüber
geschaffen, wie eine engere Bindung der Leser an die Zeitung erreicht
werden könne. Nach der Bildung von Leserbeiräten sei das Thema
Ombudsstelle in Angriff genommen worden.
Durch die tägliche telefonische Sprechstunde hätten die Leser der insgesamt 23 Ausgaben nun einen zentralen Anlaufpunkt. „Sie fühlen sich zur Reaktion ermutigt und mit ihrem Anliegen ernst genommen.“ Die anfangs wöchentliche Kolumne, in der die Ombudsfrau über die Ergebnisse ihrer Arbeit berichte, erscheine mittlerweile jeden Tag – bislang ohne inhaltliche Eingriffe der Chefredaktion.
Helga Lange nimmt an den täglichen Konferenzen der Blattmacher teil
und trägt dort Kritik und Anregungen der Leserschaft vor. Im Gespräch
mit den Anrufern leistet sie gleichzeitig Aufklärungsarbeit und weckt
Verständnis für die Sachzwänge des Zeitungsmachens, wenn etwas empörte
Sportler anrufen und sich über die Größe des Fotos vom Spiel
beschweren, das wegen einer Anzeige nur klein den Weg auf die Seite
fand. „Wir Zeitungsmacher denken, die Regeln seien allen klar. Aber die
Leute sagen einfach: ,Macht doch die Anzeige kleiner!‘“ Schon die
Rückkopplung solcher Alltagsprobleme könne mit dafür sorgen, dass die
Redaktion nicht einfach abhebe.
„Vor allem vermittele ich dem Leser das Gefühl ,Meine Zeitung hat
sich gekümmert!‘“ Angesichts allenthalben bröckelnder Auflagen sei eine
solche Bindung höchst wünschenswert und durchaus ausbaufähig. In
Österreich etwa gebe es mehrköpfige Ombudsteams, auch könne sich die
nicht verbindlich garantierte Unabhängigkeit in der Zukunft als Problem
erweisen.
Wortmeldungen von Betroffenen und Vertretern der Gewerkschaften
unterstrichen, dass in den Verlagen Mecklenburg-Vorpommerns
Handlungsbedarf besteht. An Hand von Beispielen beschrieben sie den
Verlust von journalistischem Profil, aber auch positive Ansätze einer
Diskussionskultur, die es zu stärken gelte.
Mehrere Redner bekräftigten gegenüber den Vertretern der demokratischen Parteien des Landtags erneut die Forderung nach einer Überarbeitung des Landespressegesetzes. Kai Voigtländer, Vorsitzender des DJV Mecklenburg-Vorpommern sah die Schaffung von Redaktionsstatuten als hoch aktuelle Forderung, um dem „Klima der Angst und der Unterordnung etwas entgegen zu setzen“. Ernst Heilmann (ver.di) bezeichnete vor dem Hintergrund der aktuellen Kooperations- und Konzentrationsprozesse im Nordosten die innere Pressefreiheit angesichts der fehlenden äußeren Pressefreiheit als Muss.