Redakteure streiken gegen verordnete Magerkost
Die Belegschaft der Ostsee-Zeitung kommt nicht zur Ruhe. Bereits zum fünften Mal in diesem Jahr wurde bei dem Rostocker Blatt gestreikt.
Wo ist hier bitte eine „Komfortzone“? Protestkundgebung vor dem Rostocker Pressehaus.
Magere Kost vor dem Tor des Rostocker Pressehauses: Mitarbeiter aus Redaktion, Verlag und Technik der Ostsee-Zeitung (OZ) löffelten Diät-Joghurt - passend zum Motto ihrer Kundgebung. Der Slogan „Wir haben keine Komfortzonen“ zielte auf Geschäftsführer Thomas Ehlers, der in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung in gewohnt laxer Art Magerkost für seine Mitarbeiter gefordert hatte. Es gelte, „radikal Positionen anzuschauen, in denen es noch Komfortzonen gibt“.
Wo der Manager, der in den Tarifverhandlungen wiederholt als Hardliner aufgetreten ist, die gemütlichen Ecken vermutet, bleibt dem Beschäftigten der von Personalabbau bei gleichzeitiger Arbeitsverdichtung geplagten Blatt ein Rätsel. Doch die Antwort war unmissverständlich. Erneut traten die Redakteure aus Lokalredaktionen und zentralen Ressorts von Mecklenburg-Vorpommerns größter Tageszeitung in den Streik, während in Hamburg die noch bundesweit geführten Tarifverhandlungen fortgesetzt wurden. Zuvor hatten bereits die Journalisten des OZ-Mutterblattes Lübecker Nachrichten die Arbeit niedergelegt.
Die Gegenwehr - bei der Ostsee-Zeitung war es bereits der fünfte Streik in diesem Jahr - zeigt Wirkung: Der Verband der Norddeutschen Zeitungsverleger (VZN) ist von seinen bisherigen Forderungen weitgehend abgerückt und will die von ihm erst vor wenigen Wochen gekündigten Manteltarifverträge für die Mitarbeiter in Verlag und Technik wieder in Kraft setzen und den bundesweiten Gehaltsabschluss übernehmen. Voraussetzung ist eine Einigung über Regelungen zur Beschäftigungssicherung. Dies erwies sich bei den jüngsten Verhandlungen als so harte Nuss, dass sich beide Seiten erneut vertagten.
Bei den Journalisten ist die Lage noch unübersichtlicher: Ob der VZN eine mittlerweile möglich erscheinende Einigung auf Bundesebene mittragen wird, ist in Anbetracht des harten Kurses von OZ-Manager Ehlers keineswegs ausgemacht. Sollten die Nord-Verleger im letzten Moment aussteigen, droht eine langwierige Tarifauseinandersetzung auf regionaler Ebene.
Die Redakteure zogen nach der Kundgebung in die Rostocker Innenstadt, um mit Flugblättern über die Hintergründe des Konflikts zu informieren, über den in der Ostsee-Zeitung bisher kein einziger Beitrag zu lesen war – ganz im Gegensatz zu überregionalen Blättern, aber auch regionalen Titeln wie der Braunschweiger Zeitung, die in eigener Sache ebenso professionell wie ausgewogen berichten konnten.