Nachdenkliche Gesichter im Innenausschuss des Schweriner Landtages. Nach der zweieinhalbstündigen öffentlichen Anhörung zur Situation der Zeitungen in Mecklenburg-Vorpommern waren sich die Vertreter der demokratischen Parteien einig: Das Thema ist von so zentraler Bedeutung, dass die Anhörung nach der Sommerpause in einer weiteren Runde vertieft werden soll. Es sei eine Diskussion losgetreten worden, der man sich stellen müsse, so Armin Jäger, medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion.
Ob Verlegerseite, Gewerkschaften oder Betriebsrat - bei der kontrovers, aber sachlich geführten Debatte waren sich die als Sachverständige geladenen Vertreter in einem Punkt einig: Die Tageszeitungen im Land „stehen vor dramatischen Veränderungen“, wie es Thomas Ehlers, Geschäftsführer der Ostsee-Zeitung und der Lübecker Nachrichten, formulierte. Kai Vogtländer vom Deutschen Journalistenverband (DJV) brachte es so auf den Punkt: „Zeitungen sind bedrohte Dinosaurier.“
Dass die drei großen Regionalblätter – Schweriner Volkszeitung (SVZ), Nordkurier und Ostsee-Zeitung (OZ) – kräftig Federn ließen, ist bekannt. Seit 1997 sei die Gesamtauflage von rund 500 000 auf 361 000 Exemplare zurückgegangen, so Bernd Röder vom Verband der Zeitungsverlage Norddeutschland. Bevölkerungsrückgang, in jüngster Zeit vor allem aber der Siegeszug des Internets, zeigen Wirkung. Ehlers, der auch für den Verlegerverband sprach, drückte es drastisch aus: „Die Party ist vorbei.“ Personalabbau, Arbeitsverdichtung und Verlängerung der Arbeitszeiten („mal bezahlt, mal unbezahlt“) sind für ihn unvermeidliche Begleiterscheinungen, wenn es darum geht, sich am Markt zu behaupten.
Am Ende ist dann aber doch alles in bester Ordnung: Röder sieht „die Zeitungen dieses Landes auf gutem Weg“. Und nach Ansicht von Ehlers geht die Pressevielfalt „nicht unter“, wenn OZ und Lübecker Nachrichten überregionale Themen wie Olympia oder den neuen Abba-Film auf identischen Seiten abhandeln.
Also keine Gefahr für Qualität und Vielfalt? Von wegen. Es sei höchste Zeit, mit einer Überarbeitung des Landespressegesetzes den Redaktionen den Rücken zu stärken und zugleich mehr Transparenz über die Besitzverhältnisse bei den Verlagen zu schaffen, so DJV-Landesvorsitzender Voigtländer. Beispiele für die katastrophalen Auswirkungen der Sparpolitik der Verlage gebe es genug: Beim bereits in mehrere kleine Unternehmen zerlegten Nordkurier sei die Stimmung am Boden, nun gebe es sogar Ängste, dass in Lübeck bald auch der Mantel für Neubrandenburg produziert wird, was bemerkenswerterweise in der Runde ohne Dementi blieb. Andernorts im Land würden Volontäre an Wochenenden bereits ganze Lokalausgaben zusammenbauen, und mangels Zeit beschränke sich journalistische Recherche immer öfter auf Telefonanrufe, Google und Wikipedia.
Die nächsten Runden von „Optimierung“ könnten bald ins Haus stehen, warnte ver.di-Vertreter Ernst Heilmann in seiner Stellungnahme und verwies unwidersprochen auf den bevorstehenden erneuten Verkauf der SVZ und die für 2010 zu erwartende Fusion von OZ und Lübecker Nachrichten. „Die regionale Bindung wird weiter leiden.“ Von Außenpluralismus könne in Mecklenburg-Vorpommern – mangels Auswahl in den meisten Regionen des Landes – kaum die Rede sein, „Innere Pressefreiheit wird da geradezu zwingend.“
Arbeitnehmervertreter stießen bei solchen Fragen an ihre Grenzen, stellte Robert Haberer als Betriebsratsvorsitzender der Ostsee-Zeitung klar. Die seien vollauf mit der Bewältigung der sozialen Folgen der Umbrüche in den Verlagen (bei der Ostsee-Zeitung schrumpfte die Belegschaft seit 1990 auf 900 auf knapp 400 Kollegen) in Anspruch genommen. „Die journalistische Qualität einer Zeitung kann nur die Redaktion auf Dauer bewahren.“ Deren Mitsprache- und Mitwirkungsrechte gelte es zu stärken.
Dass nicht nur die Qualität der Zeitungen leidet, sondern auch die örtliche Monopolstellung fatale Auswirkungen haben kann, führte Ingo Schlüter vom Deutschen Gewerkschaftsbund aus der Perspektive des interessierten Lesers vor Augen. Wie die drei Zeitungen über die aktuelle Stunde des Landtags zur Situation der Regionalpresse berichteten, sei da nur ein Beispiel. Während in der Ostsee-Zeitung keine einzige Zeile darüber zu lesen war, berichteten Nordkurier und SVZ zwar, verloren aber nicht Wort über die drastische Sparpolitik in ihren Häusern.
Dabei könne niemand glauben, dass „die Arbeitsbedingungen auf die Qualität der Zeitungen keinen Einfluss haben.“ Als Beleg dafür führte er einen Trend zur inhaltlichen Verflachung an, erkennbar unter anderem daran, dass komplizierte und damit nur aufwändig zu recherchierende Themen wie millionenschwere Arbeitsmarktsprogramme nur schwer ins Blatt fänden.
Die Partner der Initiative „Unser Land braucht seine Zeitungen.
Qualität und Vielfalt sichern.“ begrüßten die heutige Anhörung im
Innenausschuss des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern, Ernst Heilmann,
vom ver.di-Landesbüro Mecklenburg-Vorpommern erklärte: „Wir halten es
für wichtig, dass der Innenausschuss diese Diskussion fortsetzen
will.“