Von der Warnow an die Trave: Ab April sollen Teile der größten Tageszeitung Mecklenburg-Vorpommerns von den Lübecker Nachrichten produziert werden. Dem Land droht der Verlust qualifizierter Arbeitsplätze und journalistischer Kompetenz.
Der Jahresauftakt hätte kaum schlimmer ausfallen können. In der ersten Ausgabe der Betriebsrats-Nachrichten musste die Interessenvertretung der Ostsee-Zeitung der Belegschaft schlimme Pläne des Verlages verkünden: Schon ab April sollen wichtige Teile der größten Tageszeitung Mecklenburg-Vorpommerns in Schleswig-Holstein produziert werden.
Geht es nach den Vorstellungen der Geschäftsleitung und der Chefredaktion, kommen künftig die Seiten 2, 3, Politik, Wirtschaft überregional, Sport überregional, Kultur überregional und Weltspiegel/Aus aller Welt für Ostsee-Zeitung (Auflage: 175.000) und ihr wesentlich kleineres Schwesterblatt Lübecker Nachrichten (123.000) von der Trave. Der Standort Lübeck sei gewählt worden, weil in Rostock nicht ausreichend Räume zur Verfügung stünden, ließ man die Belegschaft wissen.
Der neuen Gemeinschafts-Redaktion sollen die Ressorts Service (Medien/TV, Auto/Reise, Ratgeber, Leserbriefe, Wetter) Wochenend-Journal sowie Aktionen (Zeitung in der Schule, Sommer im Norden, Events und Redaktionelle Beilagen) zugeordnet werden. Durch die Verlagerung sollen zunächst zehn bis zwölf Mitarbeiter der Ostsee-Zeitung nach Lübeck wechseln. Ein konkretes Personalkonzept soll dem Betriebsrat bereits in etwa zwei Wochen vorgestellt werden.
Der Betriebsrat kritisierte die Pläne nachdrücklich, „da sie eine einseitige Schwächung des Standortes Rostock bedeuten.“ Der Interessenvertretung schlug vor, nach Alternativen zur Bildung der Gemeinschafts-Redaktion zu suchen, um die Identität von Ostsee-Zeitung und Lübecker Nachrichten zu sichern.
Holger Artus, Vorsitzender des ver.di-Fachbereichs Medien für
Norddeutschland: „Der gemeinsame Mantel ist ein katastrophales Signal
an beide Redaktionen. War deren Sicht auf die Dinge bisher so schlecht
oder von den Lesern nicht gewollt? Mit Sicherheit nicht. Wichtige
Verlegerpläne siegen über redaktionellen Erfahrung. Verrlierer werden
auch die beiden Chefredakteure sein: Geht Betriebswirtschaft vor
redaktionelle Erfahrung, kommen später Sparrunden dabei heraus.“
Auch der ver.di-Bezirksvorstand Rostock, der die Interessen der
gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten verschiedener Branchen in
der Region vertritt, ist alarmiert. Bezirksvorsitzender Peter Geitmann:
„Die führende Wirtschaftsregion Mecklenburg-Vorpommern braucht
Journalisten vor Ort, die lokale und überregionale Themen aus dem
spezifischen Blickwinkel unseres Landes recherchieren und
kommentieren.“ Neben dem Abbau hochwertiger Arbeitsplätze in
Mecklenburg-Vorpommern fürchtet ver.di vor allem um die Qualität des
Blattes: „Uns ist bewusst: Der Journalismus hat eine wichtige Aufgabe
für die gesamte Gesellschaft. Und deren Erfüllung ist hier in Frage
gestellt.“