Warten auf den Abschluss: Mitarbeiter der OZ versammeln sich streikbereit vor dem Pressehaus Rostock.
Druck zeigt Wirkung: 3,8 Prozent mehr statt Kürzung
Angesichts drohender Streiks lenken die Verleger im Norden teilweise
ein: Die Tarifverträge für Angestellte und Technik haben Bestand; nur
die Journalisten müssen weiter um ihre Arbeitsbedingungen streiten.
Überraschende Wende im Streit um Löhne, Gehälter und Arbeitsbedingungen bei den tarifgebundenen Verlagen an der Küste: Unter dem Eindruck akut drohender Streiks ist für Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein eine Einigung für die Mitarbeiter in Verlag und Technik zustande gekommen. In der zweiten Verhandlungsrunde verständigten sich die Gewerkschaft ver.di und der Verlag der Zeitungsverleger Norddeutschlands auf die Erhöhung von Löhnen und Gehältern in zwei Stufen um insgesamt 3,8 Prozent.
Die Manteltarifverträge beider Berufsgruppen, die Arbeitszeit, Urlaubsansprüche, Zuschläge, Sonderzahlungen und andere Leistungen regeln, bleiben für beide Berufsgruppen unangetastet. Verabredet wurde, über eine Überarbeitung der Regelungen zu sprechen, um beispielsweise neue entstandene Berufsbilder bei der Eingruppierungen zu berücksichtigen. Zu solchen Gesprächen zählt aus Sicht von ver.di auch die Frage, wie aktuell tariflose Tochterfirmen der Verlage wieder in den Schutz des Kollektivrechts gebracht werden können.
Unmittelbar nach Beginn der zweiten Verhandlungsrunde in Hamburg hatten sich etwa die Mitarbeiter aus Verlag, Technik und Redaktion der Ostsee-Zeitung (OZ) in Rostock versammelt, um jederzeit die Arbeit niederlegen zu können. Stattdessen gab es bei der Kundgebung vor dem Pressehaus am Steintor lauten Beifall für die Einigung.
Beendet ist der Konflikt damit freilich nicht, denn für die Journalisten bei der OZ, dem Schwesterblatt Lübecker Nachrichten und anderen Nord-Verlagen gibt es noch keine Lösung. Den bundesweiten Abschluss, der deutliche Abstriche zu Lasten der Beschäftigten vorsieht, um die Zeitungsbetriebe Verlage im aktuellen Strukturwandel zu entlasten, hatten die Nord-Verleger abgelehnt und auf regionalen Verhandlungen bestanden.
OZ-Geschäftsführer Thomas Ehlers steht dabei an vorderster Front: Auf einer Betriebsversammlung vor wenigen Tagen in Rostock forderte der 54-jährige Manager einmal mehr von der Belegschaft Verzicht – ungeachtet einer zuletzt aktenkundigen Rendite von mehr als acht Prozent bei Mecklenburg-Vorpommerns größter Tageszeitung und ihrem Mutterhaus, den Lübecker Nachrichten. Dass von dem Millionengewinn der größte Batzen aus dem Osten kommt, erbittert Journalisten zwischen Grevesmühlen und Usedom zusätzlich.
Doch Ehlers treibt um, dass benachbarte Verlage noch mehr beim Personal abkassieren. Schweriner Volkszeitung und Nordkurier haben sich mit
radikalen Sparkonzepten längst vom Tarif verabschiedet. Das weckt auch in der Rostocker Chefetage immer mehr Begehrlichkeiten.
Mit dem fortgesetzten Pokern um die Redakteurstarife geht Ehlers allerdings ein hohes Risiko ein. Ausgerechnet zur Fußball-Weltmeisterschaft drohen nun weitere Streiks.