Ministerpräsidentin Manuela Schwesig im Gespräch mit DJV-Landesgeschäftsführerin Corinna Pfaff (links) und der stellvertretenden ver.di-Landesleiterin Conny Töpfer vor dem OZ-Fest. Im Hintergrund OZ-Chefredakteur Andreas Ebel.
„Demokratie braucht Zeitung“ – Tarifflucht ausgeblendet
Nach draußen Partylaune mit mehreren Tausend Gästen, während die Stimmung hinter den Kulissen wegen Personalabbaus und des angekündigten Abschieds vom Tarif getrübt ist: Beim 65. Geburtstag der Ostsee-Zeitung (OZ) wurde die Fassade gewahrt, und die fast komplett erschienene Landesregierung spielte brav mit. Eine kurze Konfrontation mit Sorgen der Belegschaft war Ministerpräsidentin Schwesig (SPD) sichtlich unangenehm.
Protest vor dem Medienhaus am Rostocker Steintor.
Ob der Appell Gehör gefunden hat? Manuela Schwesig wirkte „not amused“, als sie zum Auftakt des Jubiläumsfestes auf dem Hof des Rostocker Medienhauses unverhofft die Resolution „Dauerhafter Tarifschutz für alle Mitarbeiter der Ostsee-Zeitung!“ in den Händen hielt. Vielleicht auch deswegen, weil die von der stellvertretenden ver.di-Landesleiterin Conny Töpfer und DJV-Landesgeschäftführerin Corinna Pfaff im Namen der Mitglieder beider Gewerkschaften überbrachte Botschaft (siehe Kasten unten) den Finger deutlich in die Wunde legt: „Gerade einem Betrieb der Mediengruppe Madsack, deren größter
Gesellschafter die SPD-Medienholding ddvg ist, kommt eine Vorbildwirkung
für unser Bundesland zu, das dringend mehr und nicht weniger
Tarifbindung benötigt.“
Die angesprochenen Sorgen werde sie an den Vertreter der Parteiholding weiterleiten. Beim Hinweis auf den aktuellen drastischen Personalabbau in Redaktion und Verlag fiel das Wort „Konsolidierungsprozess“, damit war das Thema für die Anfang Juli gewählte Regierungschefin erst einmal erledigt. Schwesig, die bei einem Festempfang fast von der kompletten Landesregierung begleitet wurde, stellte in den Feiermodus um, verteilte reichlich Komplimente und strich die Bedeutung einer „vielfältigen Medienlandschaft“– die OZ titelte treffend „Demokratie braucht Zeitung“ – heraus. Dass Qualität und Vielfalt der Medien im Land seit Jahren immer mehr unter die Räder kommen, worauf Amtsvorgänger Sellering bei derlei Festveranstaltungen wiederholt mahnend hinwies, wurde ausgeblendet.
Während mehrere Tausend Leser sich trotz des überraschenden Fernbleibens der Geschäftsleitung über eine durchaus gelungene Party freuen konnten, ist die Stimmung in der Belegschaft angespannt. Die Ankündigung der Chef-Etage,
künftig nur noch Mitarbeiter in tariffreien Tochterfirmen (mit deutlich reduzierten Gehältern) einzustellen, sorgte bereits für offenen Protest.
Wenige Tage vor dem Jubiläumsfest versammelten sich Mitarbeiter aus Redaktion, Verlag und Technik vor dem Rostocker Medienhaus gegenüber dem Steintor und machten ihrem Unmut Luft. Der Slogan der Plakate – „Tarifbruch im Segen der SPD?" – zielte unmissverständlich auf den sozialdemokratischen Gesellschafter der Madsack Mediengruppe. „Ministerpräsidentin Schwesig will sich für Tarife in Mecklenburg-Vorpommern einsetzen“, hieß es weiter. „Hier wäre die Gelegenheit...“
Dauerhafter Tarifschutz für alle Mitarbeiter der Ostsee-Zeitung!
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin Schwesig,
im Namen unserer Mitglieder rufen wir Sie auf, sich für eine dauerhafte Sicherung der Tarifbindung der Ostsee-Zeitung einzusetzen.
Die Absicht der Geschäftsleitung des Hauses, das zur Madsack-Mediengruppe gehört, künftig nur noch in tariflosen Tochterfirmen einzustellen, bedeutet die Spaltung der Belegschaft in Mitarbeiter erster und zweiter Klasse. Das trübt die Freude bei der heutigen Feier zum 65. Geburtstag der Ostsee-Zeitung.
Ein solches Vorgehen ignoriert die Leistungen unserer Kolleginnen und Kollegen, die in den vergangenen Monaten mit dem Sparkonzept „Madsack 2018“ einen drastischen Personalabbau hinnehmen mussten. Nur durch tarifliche Lösungen, die im verantwortungsvollen Dialog zwischen Gewerkschaften, Betriebsrat und Arbeitgeber entwickelt wurden, konnten dabei noch größere Härten für die Betroffenen abgewendet werden.
Wir bitten Sie nachdrücklich, sich dafür stark zu machen, dass dieser Weg bei der Ostsee-Zeitung nicht verlassen wird.
Gerade einem Betrieb der Mediengruppe Madsack, deren größter Gesellschafter die SPD-Medienholding ddvg ist, kommt eine Vorbildwirkung für unser Bundesland zu, das dringend mehr und nicht weniger Tarifbindung benötigt.