Alles wie gehabt? Verkauf der Ostsee-Zeitung auf Betriebsversammlung diskutiert

Unterschiedliche Wahrnehmungen: Während die Geschäftsleitung nach Übernahme der Ostsee-Zeitung durch die Lübecker Nachrichten die Mitarbeiter beruhigt, machen Betriebsräte und Gewerkschaften Risiken und Nebenwirkungen des Millionen-Deals deutlich.

Ein Fakt, zwei Interpretationen: Für Geschäftsführer Thomas Ehlers, der seit 2006 gleichzeitig an Trave und Warnow das Regiment führt, ist der komplette Kauf der Ostsee-Zeitung (OZ) durch die Lübecker Nachrichten (LN) ein „buchhalterischer Akt“. Endlich habe man eine „homogene Gesellschafterstruktur“, die das Zusammenwachsen beider Verlage erleichtern werde. OZ-Betriebsratsvorsitzender Robert Haberer übersetzte das auf der mit 170 Mitarbeitern sehr gut besuchten Betriebsversammlung so: „Wir sind jetzt in einer Hand.“

Wie die Gewerkschaften ver.di und DJV machte der Betriebsrat auf mögliche Risiken und Nebenwirkungen der Übernahme aufmerksam: „Wer sich bei den Banken ausgerechnet in diesen Zeiten zig Millionen für solche Geschäfte borgt, der ist unter Druck, dieses Geld auch wieder reinzuholen. Das bedeutet: Zu den normalen Gewinnerwartungen der Gesellschafter müssen in den kommenden Jahren zusätzlich  die Kreditlinien bedient werden.“ Das werde den Druck auf Arbeitsplätze und -bedingungen erhöhen.

Vor übertriebenem Optimismus gegenüber dem durchaus renommierten Neu-Eigentümer aus Hannover warnte Rainer Butenschön im Namen von ver.di. Als Betriebsrat im Madsack-Konzern vermittelte er tiefe Einblicke in dessen Innenleben: Mit dem Kauf von Springers Regionaltiteln sei der aus bescheidenen Anfängen hervor gegangene Verlag endgültig zur „publizistischen Großmacht im Norden Deutschlands“ herangewachsen, die nun eine Auflage von mehr als einer Million Tageszeitungen und sieben Millionen Anzeigenblättern repräsentiere.

Die Größenvorteile nutze das Unternehmen unter anderem für die Zentralisierung von Aufgaben, etwa bei der Datenverarbeitung oder Verwaltungsaufgaben, die zunehmend in tariffreie Tochtergesellschaften ausgelagert würden. Auch Beilagen würden von einer in Hannover ansässigen Madsack Supplement GmbH & Co. KG für alle Titel der bis nach Sachsen vertretenen Gruppe produziert. Entgegen öffentlicher Beteuerungen zum Tarif, versuche Madsack sich bei Zeitungen in Hessen gegenwärtig aus dieser Bindung zu lösen und setze verstärkt auf Leiharbeit.

Damit griff Butenschön die vom Betriebsrat erhobene Forderung auf: „Wir brauchen verbindliche Regeln! Worte allein genügen nicht, das zeigt die Erfahrung.“ Nur dank des im vergangenen Jahres erstrittenen Tarifvertrags zur Bildung der gemeinsamen Mantelredaktion von Ostsee-Zeitung und Lübecker Nachrichten könnten deren Mitarbeiter auch unter den veränderten Bedingungen relativ unbesorgt in die Zukunft schauen.

Gewerkschaften: Presse muss mehr Demokratie wagen

Auf solche positiven Ansätze, auch Feld der Mitwirkung aller Journalisten, solle aufgebaut werden. Dafür sprach sich Sibylle Ekat vom DJV angesichts immer neuer Veränderungsschübe aus. Eine Stärkung der redaktionellen Unabhängigkeit etwa durch ein Redaktionsstatut nütze allen, das belegten zahlreiche praktische Beispiele. Angesichts schwindender Vielfalt durch immer neue Übernahmen und Kooperationen seien entsprechende Regelungen unumgänglich: „Wenn die Presse ihren Beitrag zur demokratischen Gesellschaft leisten soll, dann braucht sie selbst demokratische Strukturen.“

Wie ein verbindliches Miteinander zwischen Redaktion und Verleger die Qualität fördert, helfen klare Strukturen den Betriebsräten, die Interessen der Mitarbeiter wirksam zu vertreten. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Konzernbetriebsrat, in dem die Interessenvertretungen der miteinander verbundenen Firmen, zusammen arbeiten.

Welchen Stellenwert dieses Gremium hat, unterstrich der wegen des Verkaufs aus seinem Amt scheidende stellvertretende Vorsitzende des Konzernbetriebsrates von Axel Springer, Detlef Schütz. Häufig habe dessen Vermittlung erst vernünftige Lösungen bei der Springer-Tochter Ostsee-Zeitung ermöglicht.

Daher sei es dringlich, dass die Belegschaft der Ostsee-Zeitung auch in der neuen Struktur eine Stimme erhalte, forderten Schütz und Butenschön: Schließlich fielen die wesentlichen Entscheidungen in der „Madsack-Welt“ nun einmal in Hannover. Mit 49 Prozent direkt gehaltener Anteile und weiterer indirekter Beteiligungen an den Lübecker Nachrichten sei der Konzern aus Hannover jederzeit in der Lage, seinen Willen sowohl bei den LN als auch bei deren Tochter OZ durchzusetzen.

Doch ungeachtet seines grundsätzlichen Bekenntnisses zur Mitbestimmung stellte Geschäftsführer Ehlers genau diesen Punkt in Frage. Man wolle die Frage prüfen, auch wenn man derzeit keinen Anspruch für eine Vertretung im Konzernbetriebsrat sehe.

Eine Hinhalte-Taktik? Der Betriebsrat bekräftigte seine Forderung nach einer schnellen Lösung, wenn nötig auch auf dem (Um)weg über einen Tarifvertrag. Angesichts absehbarer Zentralisierungsprojekte sei der Austausch innerhalb des Konzerns entscheidend, um auch in Rostock Arbeitsplätze zu sichern.

12. Februar 2009