Kaum im Amt macht der neue Mann an der Spitze des
Nordkuriers ernst: Der Verlag soll zum Jahreswechsel zerlegt werden. Es
droht eine massive Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, die der
Qualität des Blattes Schaden zufügen werden. Dagegen hilft nur ein
engagiertes Eintreten der Öffentlichkeit für guten Journalismus.
Lutz Schumacher
Lutz Schumacher kann auf ein bewegtes Berufsleben zurück schauen: Der gelernte Journalist (Westfälischer Rundschau, RTL und andere) übernahm 1999 die Geschäftsführung der aus dem ProSieben-Konzern ausgegliederten Agentur ddp und führte das traditionsreiche Unternehmen 2004 in die Insolvenz.
Bei seinem neuen Arbeitgeber, dem Lensing-Verlag, machte Schumacher erneut Negativ-Schlagzeilen: In einer beispiellosen Nacht-und-Nebel-Aktion stellte er Anfang 2007 die gesamte Redaktion der Münsterschen Zeitung kalt. Die Produktion des Blattes wurde einer neu gegründeten Gesellschaft übertragen, die selbstverständlich nicht tarifgebunden ist. Nur durch den engagierten Widerstand der Betroffenen und die große Solidarität im ganzen Land gelang es, für die Gekündigten halbwegs akzeptable Lösungen zu finden.
Mit Unterstützung der Unternehmensberatung Schickler, die über Monate ein Spar-Konzept erarbeitete, setzt Schumacher nun - mit Zustimmung der Gesellschafter - zum Kahlschlag in Neubrandenburg an: Der Nordkurier soll zum Jahresbeginn 2008 in drei Regionalverlage auf und führt lokale „Newsdesks" ein. Das wurde den Betroffenen auf einer Versammlung kurzfristig mitgeteilt. Die Lokalredaktionen sollen technisch aufgerüstet und „völlig neu organisiert werden". Den Betriebsrat in der gesetzlich vorgeschriebenen Form an der Erarbeitung dieses ,Konzepts' zu beteiligen, war ebenso wenig vorgesehen wie tariflich geregelte Arbeitsbedingungen in den neuen Gesellschaften.
Die Masche hat mehrere Vorbilder: Traditionsreiche Blätter wie die
Sächsische Zeitung oder die Rhein-Zeitung wurden nach ähnlichen
Methoden in diverse kleine Firmen ,filetiert'. Zu einer messbaren
Verbesserung der Qualität hat das nicht geführt - im Gegenteil. Das
hindert Schumacher und Co. nicht, beim Nordkurier wieder das Lied vom
„näheren Heranrücken an Leser und Kunden" anzustimmen.
Wahr ist aber: Die betroffenen Mitarbeiter bangen um ihre Zukunft!
Sie sollen im Eilverfahren in die neuen Firmen gedrängt werden. Die
Erfahrungen mit anderen ausgegliederten Bereichen beim Nordkurier macht
deutlich, was ihnen droht: Massive Einschnitte bei Einkommen und
Arbeitsbedingungen. Das sind keine Voraussetzungen, unter denen eine
qualitätvolle Zeitung entstehen kann.
Deswegen rufen ver.di, Deutscher Gewerkschafts-Bund und Partner, darunter der Deutsche Journalisten-Verband, die Öffentlichkeit zum Widerstand gegen die Kahlschlag-Pläne auf. Vor allem ist die Politik gefordert: „Eine funktionierende Presse ist eine wesentliche Voraussetzung einer gelebten Demokratie", erklärt Brigitte Schütz, Vorsitzende des Fachbereichs Medien in Mecklenburg-Vorpommern. Es sei an der Landesregierung, sich der Missstände endlich anzunehmen und gemeinsam mit Gewerkschaften, Betriebsräten und anderen nach Lösungen für eine Sicherung der Presselandschaft in Mecklenburg-Vorpommern zu suchen.